Kurt Furgler: KuFu-Fighting
In seiner Heimatstadt St. Gallen soll dem kürzlich verstorbenen alt Bundesrat - Übervater der CVP und post mortem auch der Schweizer Politik - so schnell wie möglich eine Strasse gewidmet werden.
Noch keine zwei Monate unter der Erde, und schon soll er verewigt werden. Das Angedenken an den am 23. Juli verstorbenen Kurt Furgler (KuFu) verlangt nach einer dauerhaften Ehrung. So jedenfalls sieht es das «St. Galler Tagblatt» und betreibt Kampagnenjournalismus. «Die Stadt könnte ihren verstorbenen alt Bundesrat bald mit einer eigenen Strasse ehren», war da am 5. August unter dem Titel «Wann kommt die Kurt-Furgler-Strasse?» zu lesen. Und drei Tage später brannte das Thema bereits wieder unter den Nägeln: «Die Stadt St. Gallen diskutiert über eine Kurt-Furgler-Strasse - Herisau hat schon eine Johannes-Baumann-Strasse und einen Hans-Rudolf-Merz-Platz.»
Baumann (1874-1953) war von 1934 bis 1940 Bundesrat und der erste Appenzell Ausserrhoder in der Landesregierung. Der Merz-Platz hingegen war nur die Hurratafel eines Hoteliers - aufgestellt am 10. Dezember 2003 - just, als der zweite Ausserrhoder in das Septett unter der Bundeskuppel gewählt worden war. Zu ähnlichen Spontanattacken verleitete auch der Enthusiasmus für alt Bundesrätin Ruth Metzler an ihrem früheren Wohnort Meistersrüti, Appenzell Innerrhoden, und für Racketheld Roger Federer an seinem damaligen Domizil Münchenstein, Baselland. Die Behörden haben die wild aufgestellten Neubeschriftungen der Strassen geduldet, weil sie vorübergehend waren wie die Hupkonzerte bei der Euro 08.
«Hübsche Pointe»
Mit dem KuFu-Strassen-Fighting meint es das «Tagblatt» aber ernst. Darüber hat es denn auch eine «Volksdiskussion» in Form von Strassenbefragungen angezettelt. Und am 21. August griff «Tagblatt»-Chefredaktor Gottlieb F. Höpli gleich selbst in die Tasten und machte sich mit einem Kommentar beliebt, Friedrich Dürrenmatt - den Schweizer Literaten von Weltruf - gegen den «vielleicht bedeutendsten Schweizer Politiker der Nachkriegszeit» auszutauschen. Dürrenmatt gilt so gut wie gesetzt als Namensgeber für eine Strasse auf dem Chrüzacker, wo eben der erste Spatenstich für den Bau des Bundesverwaltungsgerichtes erfolgt ist. KuFu-Fighter Höpli meint, da passe besser ein aufrechter Justizminister hin als ein literarischer Justizkritiker - auch wenn die «hübsche Pointe» damit verloren ginge.
Ein noch schnell ins Grab nachgeworfener Blumenstrauss ist das Fortleben als Strassenname nicht. Darum will die zuständige Strassenbenennungskommission bei der St. Galler Direktion für Bau und Planung ja auch nichts «überstürzen». Schliesslich, so ist aus dem Gremium zu erfahren, soll das Strassenregister weder dem Personenkult beförderlich sein noch zum Politikum werden. Die Eidgenössische Vermessungsdirektion im Bundesamt für Landestopografie beschäftigt sich nur mit Namen, die eine gewisse Entrücktheit verströmen. So ist in der Schweiz die Benennung von Strassen nach Personen zwar statthaft, aber nur, wenn diese schon verstorben sind und darüber auch bereits geraume Zeit verstrichen ist. Tote Persönlichkeiten mit Strassenbenennungsqualitäten sollten zudem im übergeordneten Strassennetz angesiedelt werden. Für die niederrangigen Verkehrswege werden gängige Flurnamen empfohlen, um Missverständnissen vorzubeugen, möglichst in dudenkonformer Schreibweise.
Vielleicht bekommt der Streit um die Kurt-Furgler-Strasse schon bald einen höheren Sinn. SP-Gemeinderätin Lisa Etter-Steinlin hat kurz vor dem Ableben des grossen Sohnes der Stadt in einer Einfachen Anfrage den Stadtrat aufgefordert, zu ihrem Vorschlag für die Krügerstrasse Stellung zu nehmen. In der Tat, die Krügerstrasse ist nach dem 1904 in der Schweiz verstorbenen Burenführer Paul Kruger benannt worden. Er bezeichnete Schwarze als «Kaffer» und «Wilde» und war in Südafrika ein Vordenker ihrer jahrzehntelangen Unterdrückung. Noch in diesem Monat will die Strassennamenkommission eine Empfehlung an die Stadtregierung richten. Der Vorschlag, den Namen endlich zu tilgen, könnte durchkommen. Immerhin wird die Strassenbenennung schon seit über zwanzig Jahren kritisiert. Daran hat sich auch das «St. Galler Tagblatt» erinnert und Furgler jetzt als Alternative ins Spiel gebracht.
Mandela und Agassiz
Von diesem Vorschlag hält allerdings der St. Galler Historiker und Buchautor Hans Fässler wenig. Er hat schon in den achtziger Jahren für eine Mandelastrasse an Stelle der Krügerstrasse gekämpft und meint heute: «Die Benennung muss weg oder umgedeutet werden, Furgler hin oder her.» Fässler kämpft für die Umbenennung des Agassizhorns im Berner Oberland. Im Buch «Reise in Schwarz-Weiss» outet er den bedeutenden Naturwissenschaftler und Glaziologen Louis Agassiz als einflussreichen Rassisten und Befürworter der Sklaverei im 19. Jahrhundert. Fässler wüsste dem Kurt-Furgler-Strassen-Fight schon einen höheren Sinn abzugewinnen: «Die Umbenennung oder Umdeutung der Krügerstrasse könnte sicher ein Signal in Richtung Grindelwald und Guttannen sein.» Die beiden Gemeinden entscheiden über den Fortbestand oder die Abschaffung des rassistischen Gipfelnamens.