Michael Chabon: Subpolar

Nr. 43 –


Wenn man einen im Tonfall und Erzählhaltung von Ross MacDonald und Raymond Chandler inspirierten Krimi schreiben möchte, ist eine Übertreibung, die ohne gewissen Machismo nicht auskommt, angebracht. Michael Chabon weiss das. Also schreibt er: «Landsman hat das Gedächtnis eines Verurteilten, den Mut eines Feuerwehrmannes und die scharfen Augen eines Einbrechers.»

Landsman ist in Schwierigkeiten. Die Hälfte der Fälle seines Morddezernats ist ungelöst, er hat ein Alkoholproblem, leidet an Depressionen, die Exfrau ist seine Chefin. Sein jüngster Fall, der Mord an einem Junkie und Schachwunderknaben, führt über verschlungene Wege, entlang an comicartig überzeichneten Bildern und einem Plot, dem es weder an Härte noch an Humor mangelt, in eine derart bizarre politisch-religiöse Weltverschwörung, dass man glatt nach Luft schnappen müsste, hätte man sich bei der Lektüre von «Die Vereinigung jiddischer Polizisten» nicht längst daran gewöhnt, mit allem zu rechnen.

Dass Chabon gern Erzähluniversen entwirft, in denen Fiktion, Mythos, Geschichte und Politik Hand in Hand gehen, weiss man spätestens seit «Die unglaublichen Abenteuer von Kavalier & Clay», für die er 2001 den Pulitzer-Preis erhielt. Inspiriert von einem Vorschlag Franklin D. Roosevelts von 1940 hat er in «Die Vereinigung jiddischer Polizisten» nach dem Holocaust und dem fiktiven Zusammenbruch Israels im Jahr 1948 eine subpolare jüdische Welt entworfen: einen jüdischen Staat im Distrikt Sitka an der Südwestküste Alaskas, den Flüchtlinge und ihre Nachkommen in den letzten sechzig Jahren zu ihrem Lebensraum gemacht haben. Die Sache hat einen Haken: Sitka fällt zurück an Alaska beziehungsweise die USA.

Dass Sitka angefüllt ist mit jüdischen Stimmen, individuellen und kollektiven Lebensentwürfen, dass das Buch also obendrein vom dauerhaften Exil der Jüdinnen und Juden handelt, ist fast schon unerhört. Zumal alles, was hier auf 400 Seiten erzählt wird, miteinander zusammenhängt. Mehr noch als im wirklichen Leben.

Michael Chabon: Die Vereinigung jiddischer Polizisten. Kiepenheuer & Witsch. Köln 2008. 384 Seiten. 35 Franken