«Im Sternzeichen des Che Guevara»: Zwischen Euphorie und Scheitern

Nr. 44 –


Die Ereignisse der vergangenen Monate haben gezeigt: Es führt kein Weg an einem Umdenken und an neuen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Strukturen vorbei. Bis vor wenigen Tagen glaubten die ExpertInnen gar noch, die Schwellenländer würden von der globalen Finanzkrise nur gestreift. Gerade die lateinamerikanischen Staaten hatten in den letzten zwanzig Jahren teilweise katastrophale Finanzdebakel zu überwinden, die nicht nur im Falle von Argentinien zum Staatsbankrott führten.

Viele Hindernisse

Die lateinamerikanischen Staaten wären also gut gerüstet, um aus dem vielfältigen Auf und Ab ihrer Geschichte Konsequenzen zu ziehen. Weshalb der Lernprozess aber noch lange nicht abgeschlossen ist, zeigen die beiden Bücher von Romeo Rey: Der gerade erschienene Band «Im Sternzeichen des Che Guevara» analysiert, mit welchen inneren und äusseren Hindernissen die Linke Lateinamerikas heute mehr denn je zu kämpfen hat. Das 2006 publizierte Buch «Geschichte Lateinamerikas vom 20. Jahrhundert bis zur Gegenwart» bietet dazu den wirtschaftsgeschichtlichen Unterbau.

Der Autor, der während 33 Jahren als Lateinamerikakorrespondent für verschiedene deutschsprachige Medien arbeitete, hat in beiden Büchern eine überwältigende Menge an Einzelinformationen gut verständlich in ein Gesamtbild eingebettet. So gelingt es ihm, den LeserInnen die komplexen Zusammenhänge und Abhängigkeiten in nationalen wie internationalen Wirtschaftssystemen genauso nahezubringen wie die ineinander verstrickten Ideologien und Theorien der linken Gruppen und Bewegungen.

Pistolen genügen nicht

Diese beiden vordergründig eher trockenen Themenbereiche so darzustellen, dass sie sich wie ein spannender Krimi lesen, verdient Anerkennung. Dabei verliert Rey weder den Respekt vor den noblen Absichten noch den roten Faden; er bewältigt mühelos die schwere Aufgabe der kritischen Analyse.

Nüchtern beschreibt er, weshalb der chilenische Weg zum Sozialismus - der wichtigste Versuch der siebziger Jahre, linke Politik in die Tat umzusetzen - so schnell und umfassend gescheitert ist. Er beleuchtet, weshalb die mexikanische Revolution von 1910 (trotz des gigantischen Blutzolls, den sie forderte) so wenig in unsere Zeit nachwirkt - während Che Guevara immer noch als leuchtende Leitfigur der Linken gilt und bis heute kaum etwas von seiner Glaubwürdigkeit eingebüsst hat. Rey zieht in seinem Buch einen grossen Bogen von Fidel Castros Kuba über das sandinistische Nicaragua bis hin zum Venezuela des Hugo Chávez, zum indigenen Bolivien und zu den basisdemokratischen Ansätzen und Errungenschaften von Porto Alegre.

Dass tiefgreifende Veränderungen, die allen zugute kommen sollen, nicht einfach mit idealistischen Vorstellungen und Waffengewalt durchgesetzt werden können, mussten Lateinamerikas linke RevolutionärInnen mitunter schmerzhaft erfahren. Allzu oft wurden linke Strömungen von ultralinken überholt und zu Fall gebracht, weil die praktische Umsetzung des revolutionären Gedankenguts schlecht dosiert war. Und weil nur wenige der linken AnführerInnen über den Sinn für das Wesentliche oder auf Dauer über die notwendige Selbstlosigkeit verfügten, ihre eigenen Interessen dem Wohl aller unterzuordnen. Ohne tiefgreifende ökonomische Veränderungen, das belegen beide Bücher, läuft jede revolutionäre Aktion, jede politische Umgestaltung ins Leere.

Romeo Rey: Geschichte Lateinamerikas vom 20. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Verlag C.H. Beck. München 2006. 284 Seiten. Fr. 26.80

Romeo Rey: Im Sternzeichen des Che Guevara. Theorie und Praxis der Linken in Lateinamerika. VSA-Verlag. Hamburg 2008. 246 Seiten. Fr. 34.50