Finanzkrisen-PUK: Höllengefährt UBS
Das Bundesverwaltungsgericht hat entschieden, dass die Finma rechtswidrig Bankdaten an die USA lieferte. Das hat den politischen Druck für die Einsetzung einer PUK deutlich erhöht. Welche Dimensionen braucht sie?
«Wir hatten die Notstandssituation. Wir mussten handeln. Wir mussten die Bank und den Finanzplatz schützen.» Es war Bundespräsidentin Doris Leuthard, die der Bundesrat am Mittwoch zu seiner Verteidigung vorschickte. Drei Möglichkeiten, erklärte Leuthard, habe der Bundesrat im Februar 2009 gehabt, um 285 Kundendossiers an das US-Justizdepartement auszuliefern: Die UBS hätte sie freiwillig herausgeben können und sich dabei strafbar gemacht, der Bundesrat hätte Notrecht anwenden oder die Finma eine Verfügung erlassen können. Die Wahl war damals auf das letzte Mittel gefallen.
Am letzten Freitag hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass dieses Vorgehen rechtswidrig war. Die Rechtsexperten sind mit dem Urteil zufrieden: «Ich bin erfreut, dass es in der Schweiz Richter gibt, welche den Rechtsstaat und die Verfassung sichern», sagt der Staatsrechtler Rainer J. Schweizer. Bereits letzten August hatte er in der WOZ darauf hingewiesen, «dass die UBS die Ursache für zwei verfassungsrechtliche Erschütterungen in diesem Land war»: Beim Rettungspaket für 68 Milliarden Franken, per Notrecht erlassen. Und eben – bei der Datenauslieferung.
Im Sommer 2007 hatte sich das US-Justizdepartement bei der UBS gemeldet, die Grossbank helfe US-BürgerInnen systematisch beim Austricksen der Steuerbehörden. Ein Jahr darauf stellten die US-Behörden beim Bund ein Amtshilfegesuch, worin sie Namen von UBS-KundInnen fordern. Im Februar 2009 drohten sie der Grossbank mit einer Anklage, wenn die Daten nicht sofort übergeben würden.
Beschränkte Haftung
Sieben volle Monate hatten UBS, Finma und Bundesrat also Zeit zu reagieren. Aber sie schoben den Fall vor sich her. Schliesslich wurde man bei zwei Artikeln im Bankengesetz fündig. Diese erlauben es der Finma, bei der Insolvenzgefahr einer Bank geeignete Massnahmen zu ergreifen. Man argumentierte, die angekündigte Klage bedrohe die UBS in ihrer Existenz – demnach sei die Herausgabe der Daten legitimiert.
Das Bundesverwaltungsgericht stellte nun vielmehr fest, mit dem Bruch des Bankgeheimnisses seien die Grundrechte der Kläger verletzt worden. Es klingt wie ein böser Witz, dass ausgerechnet drei Tarngesellschaften zur Steuerhinterziehung den Schweizer Rechtsstaat wiederhergestellt haben: Die W. Ltd., die H. Ltd. und die K. Corp. Nur sie konnten als Kontoinhaberinnen klagen, nicht die Superreichen dahinter. «Stellen Sie sich Vermögensverwaltungsvehikel vor, die über mindestens fünf Millionen Franken Einlage verfügten», sagt ihr Anwalt Andreas Rüd.
Eine Bundesbehörde hat gegen das Gesetz verstossen. Tat sie das unwissend? Tat sie es wohl wissend? Ein weiterer Staatsrechtler, Philippe Mastronardi, sagt in einem Interview in dieser WOZ, das Urteil erwecke den Eindruck, die Finma habe die Datenherausgabe auf Bestellung der UBS beschlossen. Er weist zudem darauf hin, dass die Behörde in ihrer Haftung stark beschränkt sei (vgl. Interview in dieser Nummer). Hat also derjenige das Gesetz gebrochen, der am wenigsten belangt werden konnte?
Das Urteil, das noch ans Bundesgericht weitergezogen werden kann, wirft viele politische Fragen auf. Das hat in den letzten Tagen eine überraschende Bewegung in Richtung einer Parlamentarischen Untersuchungskommission (PUK) zur Finanzkrise gebracht. Die SP hat bereits in der Wintersession einen entsprechenden Vorstoss eingereicht. Die Forderung wurde in den letzten Tagen von den Grünen und der SVP unterstützt. Das ergäbe eine Mehrheit im Nationalrat.
Im Ständerat kann die CVP den Ausschlag geben: Ein Ständerat mit Gewicht, Philipp Stähelin, hat sich bereits eindeutig für eine PUK ausgesprochen. Das Parteipräsidium gibt sich noch zögerlich: Wenn die Untersuchung der Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) bis zur Frühlingssession kein überzeugendes Ergebnis liefert, will man die Forderung unterstützen. Aus der GPK-Arbeitsgruppe heisst es derweil: «Alle Fakten müssen auf den Tisch. Mit einer PUK sind die Chancen dafür grösser.»
Das nächste Kapitel
Selbst in der FDP, der Partei von Finanzminister Hans-Rudolf Merz, gibt es vereinzelte Zustimmung. Immerhin überschrieb die NZZ einen Kommentar am Dienstag mit dem Satz: «Die politische Sorgfaltspflicht erfordert eine PUK». «Wenn jetzt keine PUK, wann dann?» fragte gleichentags der «Blick».
Um die Dimensionen dieser Geschichte zu sehen, ist es vielleicht nötig, die UBS als das zu bezeichnen, was sie war: ein Höllengefährt. Zumindest ab dem Jahr 2000, seit der Übernahme von Paine Webber, damals die viertgrösste Geschäftsbank in den USA. Ein Höllengefährt mit der Vermögensverwaltung als Kohlekessel und dem Investmentbanking als Rauchkammer: «Ohne die der UBS zufliessenden Vermögen aus aller Welt hätten sich die Händler der Investmentbank nicht zu günstigsten Konditionen mit Geldern für ihre hochriskanten Wetten eindecken können», schreibt Lukas Hässig in seinem Buch «Der UBS-Crash». Im Urteil vom Freitag findet sich dazu eine Zahl: 600 Milliarden von 1470 Milliarden Franken machte das US-Geschäft in der Vermögensverwaltung aus. Das ist fast die Hälfte.
Es waren Swiss Banker mit Namen Ospel, Wuffli, Rohner, Kurer oder Liechti, die das Ganze aufgebaut und verantwortet haben. Die vom Bankgeheimnis ermöglichte Steuerhinterziehung, die immer mehr Neugeld brachte, und die Spekulation, die zu immer mehr toxischen Papieren auf dem US-Immobilienmarkt führte, gehörten zwingend zusammen. Deshalb ist es auch kein Zufall, dass sich das Höllengefährt gerade an diesen beiden Stellen aus dem Rechtsstaat katapultierte: Bei der Bankgeheimnisrechtfertigung. Und, für die Bevölkerung weit gravierender, beim Milliardenrettungspaket.
Dass die Bruchstellen mit Notrecht und einer Rechtswidrigkeit statt mit Demokratie gekittet wurden – das ist nicht allein, aber in erster Linie die zweifelhafte Leistung von Hans-Rudolf Merz und Finma-Präsident Eugen Haltiner. Beide verdanken ihre ganze Karriere der UBS. Sie nützten ihr in der Finanzkrise vor allem durch Nichtstun: Denn Demokratie hätte Politik bedeutet, eine neue Politik: eine Verkleinerung der Grossbanken, die offizielle Aufkündigung des Bankgeheimnisses.
Doch so ist die Höllenmaschine bereits wieder angelaufen.
Es war Paul Rechsteiner, der Gewerkschaftschef und SP-Nationalrat, der die Forderung nach einer PUK eingereicht hatte. Bereits letzte Woche skizzierte er in der WOZ ihren möglichen Auftrag: Die Stellung des Finanzplatzes Schweiz im Verhältnis zur Volkswirtschaft und zum politischen System zu untersuchen. Nach der Diskussion der letzten Tage meint er: «Die Strategie des Mauerns und Aussitzens ist vorbei. Eine Mehrheit für eine PUK kommt in Reichweite. Dann kann ein neues Kapitel der Schweizer Wirtschaftsgeschichte aufgeschlagen werden.»
Mitarbeit: Carlos Hanimann