Personenrätsel: Freche Negerin

Nr. 11 –

Die «Gentlemen der Anklage» trauen sich nicht, offen zu sagen, was sie denken, sagte sie 1953, als sie vor Gericht stand – «dass eine Negerfrau nicht denken, sprechen und schreiben kann». Dieser Satz kam sie teuer zu stehen: Die Richter verurteilten die 1915 in der britischen Kolonie Trinidad Geborene zu einem Jahr Gefängnis: Sie habe die US-Regierung durch ihr Mitwirken bei radikalen Zeitungen stürzen wollen.

Claudia Cumberbatch, so ihr Geburtsname, war als Achtjährige mit ihren drei Schwestern den Eltern nach New York gefolgt; ein Crash der Kakaopreise auf Trinidad hatte die Lebensgrundlage der Familie zerstört. Im gelobten Land wurde es aber nicht besser; die Mutter starb nach fünf Jahren, der Vater schlug sich als Hilfsarbeiter durch, und die vorbildliche Schülerin, die an Tuberkulose erkrankte, jobbte in Wäschereien, Fabriken und im Verkauf – bis sie der Fall der Scottsboro Boys politisierte. 1931 hatte eine weisse Jury in Alabama neun schwarze Jugendliche in einem rassistischen Verfahren zum Tod verurteilt. Jahrelang engagierte sie sich für eine Wiederaufnahme des Prozesses, trat der Kommunistischen Partei bei, wurde Redaktorin und eine Rednerin, die auf zahllosen Kundgebungen gegen die Diskriminierung der Frauen, der Schwarzen und der ArbeiterInnen die Bedrängten mitriss. In der McCarthy-Ära wurde die «Negerin», wie sie sich nannte, viermal inhaftiert und 1955 trotz eines Herzinfarkts nach London deportiert. Dort setzte die von Armut und Haft Gezeichnete ihren Kampf fort – auf ihre Initiative hin entstand etwa der Notting-Hill-Karneval, das einst grosse Fest der westindischen Selbstbehauptung in der Kolonialmetropole.

Wie heisst die im Alter von nur 49 Jahren gestorbene Frauenrechtlerin, deren Grab neben dem von Karl Marx liegt und nach der in London eine Schule und eine Jugendeinrichtung benannt sind?

Wir fragten nach Claudia Jones, die in den vierziger und fünziger Jahren mit Verve und grossem Mut für die Befreiung der schwarzen Frau und die Ziele der kommunistischen Bewegung eintrat. Sie war die einzige Schwarze, gegen die die US-Justiz Verfahren aufgrund des antikommunistischen Smith-Acts einleitete – und trat, gerade freigelassen, sofort wieder in der Öffentlichkeit auf. Nach ihrer Deportation demonstrierte sie in London regelmässig gegen das südafrikanische Apartheidregime. Auch wegen ihres Einsatzes wurden die Todesurteile gegen die Scottsboro Boys in langjährige Haftstrafen umgewandelt. Der von ihr mitbegründete Notting-Hill-Karneval stand lange unter dem Motto «Die Kultur der Völker ist der Beginn ihrer Freiheit». Ihr zu Ehren organisiert die britische JournalistInnengewerkschaft NUJ alljährlich eine Claudia-Jones-Gedächtnisveranstaltung.