Essad Bey: Öl und Blut im Orient
Zwei fette schwarze Limousinen fuhren Ende August 1942 an der Amalfiküste hoch nach Positano und hielten vor dem Haus des Polizisten Luigi Ercolino. Männer in Fedora-Hüten stiegen aus. «Wo ist der Muslim?», fragten sie. – «Sie kommen zu spät. Er ist dort oben!», antwortete Ercolino und deutete zum Friedhof hinauf.
Er glaubte, die Männer seien gekommen, um den vor einer Woche verstorbenen Muslim in ein Konzentrationslager zu bringen. In Tat und Wahrheit wollten sie ihn mit ins Radiostudio nehmen; den Kontakt hatte kein Geringerer als der US-amerikanische Dichter Ezra Pound hergestellt, der, folgenschwer, im italienischen Exil faschistische Radioreden schwang.
Wer war dieser «Muslim»? Hoch über dem Tyrrhenischen Meer schmückt ein steinerner Turban die schmale weisse Grabstele, auf der Koranverse und der Name Mohammed Essad Bey eingraviert sind. Bey (geboren 1905 in Baku, gestorben 1942 in Positano) war zu Lebzeiten ein vielgelesener Autor, starb aber völlig verarmt an den Folgen eines Wundbrands. Nichts deutete darauf hin, dass er der Sohn eines aserbeidschanischen Ölbarons war. Sein Vater hiess Abraham Nussimbaum (1941 wurde der vornehme alte Jude aus Wien nach Polen deportiert und in Treblinka umgebracht). In Baku verbrachte Lev Nussimbaum, wie Essad Bey vor seiner Bekehrung zum Islam hiess, seine Kindheit, die allein der Suizid seiner Mutter, einer Revolutionärin, überschattete. Die Revolution zwang Vater und Sohn zur Flucht, zuerst durch den Kaukasus, dann nach Istanbul, Rom, Paris und Berlin. Die Flüchtlinge wurden als schwerreiche Leute in Russland von den Revolutionären verfolgt, in Berlin und in Wien wegen ihrer jüdischen Abstammung von den Nazis. Kindheit und Jugend erzählt Bey packend in «Öl und Blut im Orient», einem Bestseller der dreissiger Jahre, der wieder greifbar ist. Die Biografie «The Orientalist» von Tom Reiss hat Bey, lange nach seinem traurigen Tod, dem Vergessen entrissen.
Essad Bey: Öl und Blut im Orient. Meine Kindheit in Baku und meine haarsträubende Flucht durch den Kaukasus. H. J. Maurer Verlag. Freiburg 2008. 270 Seiten. Fr. 34.90