Geo-Engineering: Am Klima wird gefährlich geklempnert
Angesichts des Scheiterns der grossen Klimakonferenzen wandelt sich Geo-Engineering zur ernsthaft diskutierten Option im Kampf gegen die Erderwärmung und ihre Folgen. Aber die Risiken solcher Grosstechnologien sind kaum kalkulierbar.
Die Klimagipfel von Kopenhagen und Cancún geben kaum Anlass zur Hoffnung, dass dem Klimawandel über politische Verträge beizukommen ist. «Die Wahrscheinlichkeit schwindet, dass wir durch CO2-Emissionsminderungen folgenschwere Schäden vermeiden», sagt Daniel Schrag, Harvard-Professor und Berater des US-Präsidenten. Um die Erderwärmung zu stoppen, empfiehlt er Forschungsprojekte zum Geo-Engineering: Meere düngen, Wolken aufhellen, Wälder verkohlen oder Jalousien in den Weltraum hängen. Die Idee, das Weltklima mit gigantischen Manipulationen zu retten, findet zunehmend AnhängerInnen.
Als Edward Teller, der «Vater der Wasserstoffbombe», in den siebziger Jahren nicht nur an Atombomben für den Staudammbau tüftelte, sondern auch über Wetterbeeinflussung nachdachte, nahm das kaum jemand ernst. Sowjetische Pläne, die Beringstrasse abzuriegeln, um das Eis der Arktis zu schmelzen und Sibirien wohnlicher zu gestalten, wurden ebenso gestoppt wie Versuche, die Flüsse Russlands vom Süden in den Norden umzuleiten.
Nun bemühen sich US-amerikanische und britische WissenschaftlerInnen, Geo-Engineering salonfähig zu machen und Gelder für entsprechende Experimente einzuwerben. Oft gründen die ForscherInnen dazu gleich selbst Start-up-Unternehmen. Als erster Durchbruch zu staatlichen Fördertöpfen gilt ein Bericht der Royal Society vom Herbst 2009: Die Londoner Wissenschaftsakademie forderte, zehn Prozent des britischen Klimaforschungsbudgets für Technologien zur Klimaveränderung einzusetzen. Die britische Regierung genehmigte immerhin ein Drittel davon, bis zum Jahr 2012 knapp 4,5 Millionen Franken. Jetzt wird die Menschheit mit neuen Abkürzungen traktiert, die für die beiden Hauptansätze des Geo-Engineerings stehen: SRM und CDR.
Weg mit Licht und Wärme
Das «Sonnenstrahlungsmanagement« (SRM) soll von der Erde mehr Licht zurück in den Weltraum reflektieren, um auf diese Weise die weltweite Durchschnittstemperatur zu senken. Dazu könnte man zum Beispiel Dächer und Strassen weiss anmalen oder Wüsten mit Plastikfolien abdecken. Chemienobelpreisträger Paul Crutzen schlägt vor, die Stratosphäre in zehn bis fünfzig Kilometern Höhe mit reflektierenden Schwefelpartikeln anzureichern, also die Effekte von Vulkanausbrüchen künstlich hervorzurufen. Intellectual Ventures, die Firma eines Ex-Microsoft-Technikchefs, weiss auch schon, wie das gehen soll: mit Flugzeugen, Heissluftballons oder 25 Kilometer hohen Schornsteinen.
Microsoft-Gründer Bill Gates fördert derweil mit 300 000 US-Dollar das Projekt «Silver Lining» in San Francisco: Von Schiffen aus sollen Meerwassertröpfchen in die Atmosphäre gesprüht und so bis zur Hälfte der Ozeane mit hellen Wasserdampfwolken bedeckt werden.
Warum die Sonnenstrahlen nicht gleich im Weltraum aufhalten? Roger Angel von der Universität Arizona will sechzehn Billionen kleiner Scheiben ins All schiessen und ein riesiges Sonnensegel schaffen; die Kanonen dafür müssen allerdings noch entwickelt werden.
Schwefel- und Wasserdampftechnologien gelten dagegen bereits als praktikabel und vergleichsweise preiswert. Sie würden knallbunte Sonnenuntergänge bewirken, aber auch den blauen Himmel verschwinden lassen und die BesitzerInnen von Solardächern verärgern. Weitere Nachteile könnten saurer Regen, Schäden der Ozonschicht und Veränderungen der globalen Wasserkreisläufe sein. SRM würde zwar die Erwärmung bremsen, nicht aber die weitere Zunahme von CO2 – und niemand weiss, wie eine kalte Welt mit verschmutztem Himmel aussehen würde.
Weg mit dem Kohlendioxid
Der zweite Ansatz im Geo-Engineering, die sogenannte «Kohlendioxidentfernung» (CDR), will Treibhausgase direkt aus der Atmosphäre filtern – zum Beispiel mit künstlichen Bäumen an Land oder mit natürlichem Plankton im Meer. So soll die vorindustrielle Klimasituation wiederhergestellt werden. Rund ein Dutzend Experimente widmeten sich bereits dem Versuch, in den nährstoffarmen Polargewässern das Wachstum von Algen zu fördern, um CO2 zu binden. Bislang mit mässigem Erfolg.
Im Frühling 2009 etwa verstreute das deutsche Forschungsschiff Polarstern im Südatlantik sechs Tonnen Eisensulfat über 300 Quadratkilometer. Das führte zwar zu einer Algenblüte, doch frassen Flöhe diese gleich wieder auf und setzten damit auch das CO2 umgehend wieder frei. Ganz abgesehen davon hatte kurz zuvor eine Uno-Konferenz in Bonn ein Moratorium für Ozeandüngung beschlossen, aus Sorge um die maritimen Nahrungsketten.
Das vom Ölkonzern Shell gesponserte Oxford Geoengineering Program will statt Eisen Kalk einsetzen, um das im Wasser gelöste CO2 zu binden und die zunehmende Versauerung der Ozeane zu stoppen. Andere ForscherInnen haben allerdings ausgerechnet, dass man für nennenswerte Effekte die ganzen Dolomiten abtragen, zerkleinern und ins Meer rieseln lassen müsste. Unklar ist auch, was mit dem beim Kalkbrennen anfallenden CO2 geschehen soll.
Andere CDR-AnhängerInnen setzen auf sogenannte Biokohle. Firmen wie Carbon Gold oder Pacific Pyrolysis wollen Holz bei wenig Sauerstoff verschwelen und die so entstehende Holzkohle mitsamt dem darin gebundenen CO2 in den Boden pflügen. Das soll gleichzeitig auch düngen. Nach Ansicht des Briten Craig Sams würden 2,5 Prozent der Weltagrarflächen für Plantagen schnell wachsender Hölzer genügen. Doch das steht, ähnlich wie die Produktion von Agrotreibstoffen, in direkter Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion. Und aus juristischer Sicht handelt es sich bei den CDR-Technologien schlicht um vorsätzliche Wasser- oder Bodenverschmutzung.
KritikerInnen wie zum Beispiel die Umweltschutz- und Menschenrechtsorganisation ETC Group sehen im Geo-Engineering vor allem den Versuch, ernsthafte Anstrengungen zur Reduktion von Treibhausgasen zu sabotieren. Sie warnen vor unvorhersehbaren Nebenwirkungen – vor allem, da kleine Tests zu wenig aussagekräftig für grossflächige Projekte seien.
Entwicklungsländer argwöhnen, dass die Industrieländer das Klima nach eigenem Gusto ummodeln wollen, etwa Hurrikane oder Dürren in ärmere Gegenden verlegen. Tatsächlich hatten US-Militärs während des Vietnamkriegs versucht, ihre Feinde in künstlich ausgelösten Überschwemmungen zu ersäufen. Die Versuche waren zwar wenig erfolgreich, haben aber Spuren hinterlassen: Das 1975 in Kraft getretene Umweltkriegsübereinkommen der Uno verbietet Umweltveränderungen für kriegerische Zwecke.
Die junge Geo-Engineering-Branche bemüht sich, die Befürchtungen zu zerstreuen. Im März 2010 versammelten sich auf Einladung von Climos, einer in San Francisco beheimateten Firma für Ozeandüngung, 175 Geo-IngenieurInnen im kalifornischen Asilomar und vereinbarten «freiwillige Richtlinien» für ihre Experimente. Der Ort dieser internationalen Konferenz war bewusst gewählt: In Asilomar hatten vor 35 Jahren GentechnikerInnen ähnliche Selbstverpflichtungen für Biotechnologie formuliert. Das Ziel war bei beiden Veranstaltungen das gleiche: Der besorgten Öffentlichkeit sollte suggeriert werden, dass eine staatliche Kontrolle des neuen Sektors nicht nötig sei, da vertrauenswürdige ExpertInnen alles im Griff hätten und ohnehin kaum Risiken bestünden.
Weg mit Risiken
Die Klimaklempner werden allerdings mit dieser PR-Masche voraussichtlich nicht mehr so glatt durchkommen wie einst die GentechnikerInnen. Gegen das Treffen von Asilomar protestierten über siebzig Nichtregierungsorganisationen: Versuche zur Klimaveränderung seien «verfrüht und verantwortungslos».
Im Oktober 2010 erzielten die GegnerInnen des Geo-Engineerings einen Achtungserfolg: An der Biodiversitätskonferenz im japanischen Nagoya ist ein Moratorium für derartige Projekte beschlossen worden. Es ist allerdings sehr vage formuliert; «kleine» wissenschaftliche Experimente und das Verpressen von CO2 in den Untergrund – sogenannte CCS-Technologien – sind weiter erlaubt. Die USA haben die Uno-Konvention zum Schutz der Biodiversität ohnehin nie ratifiziert.
Nichts wie weg
Im gleichen Monat forderten die Wissenschaftsausschüsse des amerikanischen sowie des britischen Parlaments in einem gemeinsamen Bericht eine massive Ausweitung der Geo-Engineering-Forschung: Zur Abwendung der Klimakatastrophe sei dringend ein «Plan B» nötig. Ebenfalls im vergangenen Oktober beschloss der Weltklimarat IPCC, Geo-Engineering in seinen nächsten Bericht aufzunehmen. Das bedeutet, dass sich nun bis zum Frühjahr Hunderte WissenschaftlerInnen mit diesem Thema befassen.
Kein Wunder, dass da auch kontinentaleuropäische ForscherInnen ein vielversprechendes Tätigkeitsfeld wittern. Das deutsche Forschungsministerium zum Beispiel bereitet gerade die Förderung mehrerer Studien zu Geo-Engineering vor. Das Kiel Earth Institute etwa präsentierte unlängst einen Antrag für ein Schwerpunktprogramm zum Thema «Klima-Engineering»: Man wolle «das Feld nicht den Scharlatanen überlassen» und Risiken und Nebenwirkungen möglicher Massnahmen überprüfen. An der Universität Heidelberg läuft bereits seit dem letzten Jahr ein interdisziplinäres Forschungsprojekt, das diverse Grosstechnologien zur Klimarettung vergleicht, die Akzeptanz und die Investitionsbereitschaft der Bevölkerung untersucht und sich Gedanken über die politischen und rechtlichen Folgen macht.
Da mittlerweile einzelne Milliardäre reicher sind als viele Kleinstaaten und ohne weiteres grosse Teile des Planeten umkrempeln können, ist jederzeit mit Überraschungen zu rechnen. Vielleicht findet zum Beispiel Slawek Tulaczyk von der University of California SponsorInnen: Er möchte die grössten Gletscher Grönlands mit flüssigem Stickstoff festkleben und so ihr Abschmelzen im Meer verhindern. Wenn Geo-Engineering nicht klappen sollte, wäre das aber auch nicht so schlimm: Amerikanische Fachkräfte wollen dann mit «Terraforming» fremde Planeten bewohnbar machen.