Malariabekämpfung in Afrika: Amerikas giftige Hilfe

Nr. 20 –

US-Hilfsorganisationen lassen in Afrika das Insektizid DDT versprühen. Es soll die Malariamücke bekämpfen, doch den Schaden haben vorab lokale BäuerInnen.


Auf einmal standen sie da, die Männer mit Mundschutz und Gasflaschen auf dem Rücken. Der ugandische Bauer Bosco Acope erinnert sich genau, was am Morgen vor knapp drei Jahren geschah. «Die Leute besprühten mit ihren Maschinen die Wände meiner Hütten, und dann zogen sie weiter», so der 48-Jährige. «Ich habe versucht, sie aufzuhalten, aber sie haben mir gedroht: wenn ich mich dem Programm der Regierung widersetze, müsse ich ins Gefängnis.»

Was in Acopes Hütten gesprüht wurde, ist ein Insektizid, das fast überall auf der Welt verboten ist: DDT. Der Tag, an dem sein Hof besprüht wurde, änderte sein Leben. Seitdem kann der Vater von elf Kindern seine Ernte nicht mehr nach Europa exportieren. Aus Angst vor Rückständen weigern sich die Exportfirmen, seine organische Baumwolle und seinen Biosesam aufzukaufen. Drei seiner Kinder musste der Bauer im Norden Ugandas bereits von der Schule nehmen, weil das Einkommen zu knapp geworden ist. Geblieben ist Bosco Acope nur die Hoffnung, dass jemand sich für ihn und die anderen 16 000 BiobäuerInnen einsetzt, die durch DDT ihre Existenz verloren haben.

Im rechten Dunstkreis

Das hochgiftige DDT wird mit Brustkrebs, Diabetes, sinkender Samenqualität, Fehlgeburten und neurologischen Entwicklungsproblemen bei Kindern in Verbindung gebracht. Zudem baut es sich sehr langsam ab – über Jahrzehnte. Den Mann, der sich seit zehn Jahren als Stimme Afrikas in Sachen DDT verkauft, interessiert das ebenso wenig wie das Schicksal von Bosco Acope. Richard Tren ist seit der Gründung im Jahr 2000 Präsident der Organisation Africa Fighting Malaria. Und zur Bekämpfung von Malaria propagiert er vor allem eines: DDT, das er in seinem Buch «Das exzellente Pulver» als Wundermittel feiert. «DDT ist nach wie vor hocheffektiv bei der Malariakontrolle», so Tren. «In einer Tasse Kaffee sind mehr krebserregende Stoffe enthalten als in einer Sprühladung DDT.»

Ein Gesundheitsexperte ist Tren freilich nicht. Er hat Umwelt- und Ressourcenökonomie studiert. Trens Organisation operiert vom neunten Stock eines Bürohauses in Washington aus. Es handelt sich um eine industrienahe Lobbyorganisation, die enge Verbindungen zur neokonservativen Denkfabrik American Enterprise Institute (AEI) unterhält, deren Hauptsitz im selben Bürogebäude untergebracht ist. In der Schriftenreihe des AEI veröffentlichte Tren gerade eben im Januar ein Pamphlet mit dem Titel «Wie die Uno mit wissenschaftlichem Betrug gegen DDT hetzt».

Den Gegner entzweien und besiegen

Zu den Mitautoren dieses Papiers gehört auch Roger Bate, ein weiterer Gründer von Africa Fighting Malaria. Der ist seit zwei Jahrzehnten als Lobbyist tätig. Ein Schreiben Bates vom 4. September 1998 an den Tabakkonzern Philip Morris deckt auf, worum es bei der späteren Gründung von Africa Fighting Malaria wohl wirklich ging. Bate bot darin Philip Morris unverhohlen seine Dienste an, um den wachsenden Einfluss von Umweltgruppen in den USA zu untergraben. Er schlug vor, Themen zu besetzen, «mit denen wir unsere Gegner entzweien und besiegen können». Malariavorsorge durch DDT biete sich als geeignetes Instrument an. Die Suche nach UnterstützerInnen aus afrikanischen Staaten solle im Mittelpunkt stehen: «Das ist womöglich das kurzfristig wichtigste Ziel, denn die Umweltbewegung war meist mit ihren Kampagnen erfolgreich, weil sie politisch korrekt waren.» Die DDT-Befürworter müssten von ihren Gegnern lernen, indem «unterdrückte Schwarze» als Unterstützer gewonnen würden.

In seinem Brief versprach Bate Philip Morris im Gegenzug Hilfe bei der Lobbyarbeit in Sachen Tabak: «Durch die Malariaarbeit könnten Kontakte zu Leuten entstehen, die Ihr Engagement und Ihre Argumente schätzen und die ich als Vermittler für Sie nutzen könnte.» Dafür erwartete Bate Geldüberweisungen von Philip Morris – Spenden für die neue Organisation, Honorare für ihn. 800 britische Pfund waren im Herbst 1998 sein Tagessatz.

Philip Morris behauptet bis heute, kein Geld an Africa Fighting Malaria gezahlt zu haben, obwohl Richard Tren nur ein Jahr später einen Bericht mit dem Titel «Smoked out» veröffentlichte. Darin wirft Tren der Weltbank und der Weltgesundheitsorganisation vor, mit falschen Fakten gegen das Rauchen zu operieren und eine unbegründete Angst mitentfacht zu haben.

Keine wirtschaftlichen Interessen

«Wir haben ein DDT-Verbot bislang verhindern können», freut sich Tren. Dabei hat die US-Wirtschaft eigentlich kein Interesse an einem hohen DDT-Absatz, das Pestizid wird einzig noch in Indien hergestellt. Tren verbucht es denn auch vor allem als Erfolg, «den Diskurs verändert» zu haben: «Heute spricht man bei der Malariabekämpfung nicht mehr nur über Moskitonetze, sondern offen über DDT.»

Der Erfolg Trens lässt sich kaum irgendwo besser beobachten als bei der Politik der President’s Malaria Initiative (PMI), die vom früheren US-Präsidenten George Bush 2005 gegründet wurde. Alleine in Sambia hat die PMI 2,3 Millionen Hütten – zumeist mit DDT – besprühen lassen. Pro Hütte wurden geschätzte fünfzehn US-Dollar ausgegeben. In Uganda wurden mehr als 480 000 Hütten mit DDT ausgesprüht. «Die President’s Malaria Initiative ist führend, wenn es um die finanzielle Unterstützung des DDT-Einsatzes geht», sagt Michael Brander, der für die Schweizer Stiftung Biovision (www.biovision.ch) arbeitet. Biovision wirbt für biologische Malariabekämpfungsmethoden, die bislang kaum Beachtung finden.

Dicker Bonus

Dass DDT bis heute in den Regierungen von Entwicklungsländern Anhänger hat, hat vor allem einen Grund. «Es ist billig», sagt Richard Ocan Onen, der im Auftrag der PMI in Uganda das Sprayen der Häuser koordiniert. «DDT ist eines der billigsten Insektizide überhaupt. Andere kosten leicht dreimal so viel oder mehr.» Dass das Gift in einem Fall zwischen einem Kindergarten und einer Leihbücherei in einem Schuppen gelagert wurde, nennt Ocan «bedauerlich», aber unvermeidbar: «Gerade auf dem Land ist es schwer, gute Lager zu finden.»

Nicht nur das Sicherheitsverständnis der PMI ist fragwürdig. Um die Kosten zu senken, bezahlt er seine Sprayer nach Erfolg: Nur wer genügend Häuser besprüht, kommt auf den kargen Lohn von umgerechnet vier Franken am Tag. Um nicht leer auszugehen, drohen die Sprayer den BäuerInnen. Das ist in Ocans Interesse. Denn auch seine Firma, das US-Unternehmen Abt Associates, wird nach Erfolg bezahlt. «Unser Vertrag mit der US-Entwicklungshilfe hat als Grundlage, dass wir genügend Häuser sprayen. Aber wir sind gut: Wir haben für unsere Arbeit einen dicken Bonus bekommen.»

Ob das DDT hilft oder schadet, spielt bei der Bezahlung hingegen keine Rolle. Gut für Ocan, denn in Uganda ist die Zahl der Malariafälle unverändert hoch. Der Arzt Kale Dixon etwa, der in einem Krankenhaus in der gleichen Region Ugandas wie Bosco Acope arbeitet, wo verbreitet DDT versprüht wurde, konstatiert nüchtern: «Die Malariarate blieb praktisch gleich. Das DDT hat nichts bewirkt.» Dass es viele Resistenzen gegen DDT gibt, bestätigt auch Ugandas Gesundheitsministerium. Deshalb ist der DDT-Einsatz derzeit eingestellt – vorläufig, wie es betont. Neue DDT-Einsätze würden aber bereits geprüft.