9) Ist das Schweizer Musikgeschäft tendentiell frauenfeindlich oder gibt es sogar so eine Art Frauenbonus (was ja dann wieder «patronising» wäre)?

Nr. 42 –



Ich finde, dass das Schweizer Musikgeschäft momentan eigentlich recht ausgewogen ist, zumindest was die Geschlechter betrifft.Gerade eben war ich an einem Event mit 8 verschiedenen Bands die einzige Frau und hab nichts vom Frauenbonus gespürt. Es waren vor allem weibliche Groupies da, die wegen den männlichen Akteuren da waren. Wahrscheinlich ist das «Groupietum bei den Frauen sowieso viel häufiger anzutreffen. Die männlichen Fans halten sich eher dezent im Hintergrund und schreiben dann per Facebook, dass es ihnen gefallen hat. Anna Kaenzig

Natürlich hab ich den Frauenbonus, davon hab ich vor allem damals in der ersten Singer-Songwriter Euphorie profitiert. Da gings ja hauptsächlich darum, dass wir alle Frauen sind. Das unsere Musik sehr unterschiedlich war, hat niemanden interessiert. Mich erstaunt das bis heute, was für ein Aufruhr das macht, wenn Frauen Bandleaderinnen sind. Ich dachte eigentlich, wir leben im 21. Jahrhundert. Evelinn Trouble

I don’t think that the schweizer businness is mysogynist. Coming from a Jazz background, I have experienced a lot of tough critics from men. This includes a teacher telling me I will never be able to make it because I am a girl. But Jazz again is a man’s world. Singer-Songwriter has a long history of women artists and i think it is just more annoying in Switzerland that there is only one example of a «successful» female artist (Sophie Hunger) and that everyone has to compare you to her in some way even if you make music that is nothing like hers. Brandy Butler

Über die Situation als Künstlerin kann ich dazu nichts sagen. Über meine Funktion als Press Manager diverser Künstler kann ich sagen: Frauen sind in der PR/Kommunikationsarbeit mindestens ebenso vertreten wie Männer. Da macht sich weder das Eine noch das Andere spürbar. Klar, man hört schon mal Äusserungen, wie «Für ein Mädchen hast du aber einen guten Musikgeschmack» oder es gibt auch Journalisten, die wollen wohl weniger über das Konzert schreiben, als mit mir ein Bier an der Bar trinken. Aber das ist selten und ich nehme das mit Humor. Fabienne Schmuki, Irascible Vertrieb

Ich glaube, es kommt drauf an von welchem Teil des Musikgeschäfts wir sprechen. Schwer zu sagen. Da müsste man sich einmal mit den Statistiken dazu beschäftigen. Ich fühle mich in der Rolle einer Musikerin nicht wirklich bevorzugt oder benachteiligt, weil ich eine Frau bin. Fiona Daniel

Misogynie und Frauenbonus schliessen sich nicht aus. Im Gegenteil, «Frauenbonus» gibt es nur da, wo Sexismus vorhanden ist. Und ganz genau, aus dieser Perspektive ist Frauenbonus eine Art von «Patronising». Die Konstruktion «Frauenbonus» ist eine Strategie, mit der das Schaffen von Frauen kleiner gemacht wird als es ist. In einer Gesellschaft, wo Gleichstellung zwischen den Geschlechtern Realität ist, muss und kann es keinen «Bonus» geben, der sich auf die Kategorie Geschlecht bezieht. Und ja, ich denke beides trifft zu auf das Schweizer Musikgeschäft. Auf das Musikgeschäft, als Ganzes. Genau so wie auf die westliche Gesellschaft. Als Ganzes. Was mich nicht daran hindert, Teil davon zu sein. Meine persönlichen Erfahrungen in Zusammenarbeit mit anderen Musikern, Veranstaltern, Vertrieben etc. ist grösstenteils eine positive. Ich suche mir, wenn’s irgendwie geht, die Leute aus, mit denen es mir gefällt. Lena Fennell

Ich denke schon, dass im Moment in der Schweiz das Interesse an Frauen, die Musik machen, grösser ist als auch schon. Es gab früher weniger Frauen, die sich getrauten, ihr «Ding» der Öffentlichkeit zu präsentieren – es gab aber auch weniger Interesse von Seite der Medien. Die Medien schenken diesen Frauen auch sehr viel Aufmerksamkeit, was Ihnen ein gewisses Selbstbewusstsein schenkt. Die Faszination liegt auch daran, dass Frauen auf der Bühne eine Stärke ausstrahlen, welche sonst oft untergeht. Natasha Waters

Mit Ladies’ Room haben wir damals eindeutig vom Frauenbonus profitiert. Gleichzeitig mussten wir uns Unglaubliches bieten lassen: Einmal fragte mich nach einem Soundcheck ein Techniker, ob er meine Gitarre kurz spielen dürfe. Ich gab sie ihm, er schredderte ein Solo runter und als er mir sie zurückgab sagte er befriedigt: «So, jetzt wurde sie wenigstens mal richtig gespielt». Ich habe aus den Erfahrungen gelernt – schreibe und produziere meine Platten selber, halte alle Fäden in der Hand und suche mir sehr sorgfältig aus, mit wem ich, z. B für Booking und Promo, zusammenarbeite. Lisa Catena

Vom Geschäft versteh ich nicht so viel. Wie es hinter den Bürotischen klingt, will ich auch gar nicht wissen. Den Umgang mit Musiker und Veranstalter empfinde ich als respektvoll und nicht geschlechterspezifisch. Pamela Méndez

Also grundsätzlich frauenfeindlich ist es nicht. Und man muss auch zwischen Arbeitsplätzen in der Musikbranche und Künstlern in der Musik unterscheiden. Bei den Arbeitsplätzen denke ich, verhält es sich ähnlich wie in vielen anderen Bereichen auch: Frauen sind nach wie vor weniger vorhanden und haben dadurch auch weniger Einfluss. Was die künstlerische Seit betrifft, zeigt mir der Umgang mit der momentanen Mode auf, dass ganz klar eine Art Überforderung oder vielleicht sogar Borniertheit da ist. Mir ist aufgefallen, dass in Muikberichten, die von Frauen handeln, diese Frauen automatisch immer Singer/Songwriterinnnen sind. Oder automatisch machen sie Folk. Oder, was gerade auch in ist, Folk-Rock. Unter Umständen ist aber keiner dieser Stile treffend. Stell dir vor, Iggy Pop bringt eine CD raus und Journalisten behaupten er sei ein Rapper. Nur weil der Mann, der vor ihm erfolgreich eine CD herausbrachte, ein Rapper war. Wie verblödet ist denn das? Man macht sich also bei den Schweizer Frauen tatsächlich nicht die Mühe herauszufinden, was denn nun der Stil ist. Weil in ihrem Gehirn Frau + Musik = Singer/Songwriter ist. Das muss man nun endlich mal durchbrechen, damit sich die Frauen nicht mittels ihres Geschlechtes etablieren, sondern mittels ihres Könnens. Verena von Horsten

Ich glaube bald, dass man mich mit dieser Frage terrorisieren will. …Bist DU vielleicht misogyn? Heidi Happy

Ich sags mal so: Zu Veranstaltern bin ich grundsätzlich eher kurzangebunden, wenn nicht sogar richtig gehend unfreundlich. Denn ich habe einfach Angst, dass es aussehen könnte, als wollte ich meine Weiblichkeit benutzen um an Gigs zu kommen. Wenn die Musiker an einem Festival nach getaner Arbeit mit dem (eigentlich fast immer männlichen) Organisator zusammensitzt, Brüderschaft trinkt und gemeinsame Zukunftspläne schmiedet, bin ich oft schon im Hotelzimmer, weil ich als Frau da nicht mitmachen mag. Die Struktur der Musikszene ist ganz klar misogyn. Das beginnt bei den kleinen Machtkämpfen an unwichtigen Jamsessions, geht über wer wen zum Spielen fragt, bis hin zu allen Schlüsselfiguren hinter den Kulissen vom Musikjourni bis zum Veranstalter, zu denen man sich verhalten muss. Alles ist auf die Art und Weise ausgerichtet, wie Männer Freundschaften pflegen, wie Männer kommunizieren, einander portieren. Damit will ich nicht sagen, dass diese Menschen frauenfeindlich sind. Im Gegenteil, ich weiss dass gerade viele Veranstalter gern mehr Frauenacts im Programm hätten. Aber dass gute Frauenacts nach wie vor rar sind, vor allem wenn es ein Instrumentalact sein soll, das liegt an der patriarchalen Struktur. Wer als Frau wirklich spielen kann, einen eigenen Ausdruck gefunden hat, einen Act zusammen hat, der stehen die Türen offen, weit offen. Aber um dahin zu kommen, muss man herausfinden, wie man sich würdig in einer Männerwelt bewegen kann. Der einfachste Weg führt offensichtlich immer noch über das Mikrofönli, da gibt es wenigstens Rollenmodelle bis weit zurück. Joana Aderi

Ich finde nicht, dass das Musikbusiness speziell frauenfeindlich ist. Ich denke, es ist in jedem Beruf so, dass man als Frau relativ tough sein muss, wenn man sich in einer Männerdomäne durchschlagen will. Vielleicht muss man sogar noch ein bisschen besser sein, als die Männer, um die gleiche Beachtung zu finden. Ich hoffe, die Männer vergessen nicht aufzuholen ; ) Annakin