Kommentar von Bernhard Pötter: In Durban wirds keinen Durchbruch geben
Während der Klimawandel voranschreitet, werden an der Klimakonferenz höchstens kleine Fortschritte erzielt. Die Entwicklungsländer engagieren sich inzwischen effektiver im Klimaschutz als die Industriestaaten.
Es gibt optimistisch stimmende Nachrichten in Bezug auf den Klimawandel: Im Frühjahr hat die Regierung von China, dem Land, das weltweit am meisten CO2 ausstösst, eine Öffnung gegenüber dem Kyoto-Protokoll angekündigt. Sie treibt ausserdem den Ausbau von Wind- und Solarkraft voran und hat ein Verbot herkömmlicher Glühbirnen eingeführt. Auch die deutsche Regierung setzt seit 2011 ernsthaft auf erneuerbare Energien. Und der Uno-Sicherheitsrat debattierte im Juli zum Thema «Klimawandel und Sicherheit».
Doch die pessimistisch stimmenden Nachrichten überwiegen: Im Oktober wurde bekannt, dass 2010 die weltweiten CO2-Emissionen so schnell wie nie zuvor angestiegen sind, nämlich um sechs Prozent. Gleichzeitig gab es kaum je eine so geringe Ausdehnung des arktischen Eises. Darüber hinaus belegt eine neue Studie erstmals anhand der Hitzewellen und Waldbrände vom Sommer 2010 in Russland, dass der Trend der globalen Erwärmung das Wettersystem beeinflusst. Und der Uno-Klimarat IPCC präsentierte am 18. November ein «Sondergutachten Extremwetter», das vor der Zunahme von Starkregen und Dürren, vor dem Steigen des Meeresspiegels und mehr starken Stürmen warnt.
Laut Prognosen wird vor allem das südliche Afrika in Zukunft von Überschwemmungen, Wassermangel und Missernten bedroht sein. Das ist einer der Gründe, warum die eifrigsten KlimaschützerInnen inzwischen in den armen Ländern zu finden sind. In einer breit angelegten schwedischen Umweltstudie heisst es: «Die Schwellenländer haben 2008 am Kopenhagen-Gipfel zusammen mehr Emissionsreduzierungen vorgeschlagen, als die Industrieländer zugesagt haben.»
Die 17. Uno-Klimakonferenz, die am 28. November im südafrikanischen Durban beginnt, wird dennoch kaum mehr als kleinste Verhandlungsfortschritte bringen. An einen Durchbruch glauben inzwischen nicht einmal mehr die UnterhändlerInnen. Trotzdem gibt es für Durban ehrgeizige Pläne: So soll eine zweite Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls erreicht werden, dessen Verpflichtungen Ende 2012 auslaufen; alle Länder sollen den Beschluss fassen, bis 2015 ein umfassendes und völkerrechtlich bindendes Abkommen zum Klimaschutz zu verhandeln; und die Beschlüsse der letztjährigen Konferenz in Cancún sollen umgesetzt werden. Dazu gehört unter anderem die Einrichtung eines «grünen Klimafonds», aus dem Entwicklungsländer Geld für Klimaschutz bekommen können. Die Umsetzung dieses Fonds wurde in den Vorverhandlungen Ende Oktober erst einmal auf Eis gelegt, da sich die USA ihre Zustimmung als Verhandlungsoption für Durban aufheben.
Gerade dieses Beispiel zeigt: Klimaverhandlungen sind keine Ökoveranstaltungen. Viele Regierungen schicken nicht ihre UmweltministerInnen, sondern die Verantwortlichen für Aussen- und Wirtschaftspolitik in die zweiwöchigen Verhandlungen. Diese werden zusätzlich erschwert, da sich China und die USA seit Jahren gegenseitig belauern, wer zuerst international verpflichtend erklärt, die Emissionen zu drosseln. Europa wäre zwar gern in der Vorreiterposition, wird aber in Durban von der aktuellen EU-Ratspräsidentschaft Polen vertreten, einem Land, das in der EU bisher jeden Klimaschutz blockiert hat. Einige Länder Lateinamerikas werden unter der Federführung von Boliviens Präsident Evo Morales womöglich eine Blockadehaltung einnehmen, weil sie etwa den Emissionshandel ablehnen – ähnlich, wie sie es in Cancún versucht haben. Und ob Japan nach der Atomkatastrophe von Fukushima seine ehrgeizigen Klimaziele erreichen kann, ist völlig offen, da es momentan seine Stromversorgung vor allem über den Einsatz von Kohlekraftwerken bestreitet.
Dass sich die internationalen Machtverhältnisse zudem verschoben haben, zeigt sich daran, dass die Regierungen der USA und Europas Anfang November beim G20-Gipfel in Cannes China, Brasilien, Indien und Korea um finanzielle Unterstützung zur Abwendung der Wirtschaftskrise bitten mussten. Von Klimaschutz war in Cannes keine Rede.
Dabei hat das Kyoto-Protokoll durchaus Erfolge zu verbuchen: 1997 verpflichteten sich die Industriestaaten zum ersten Mal, ihre Treibhausgasemissionen bis 2010 um etwa fünf Prozent gegenüber dem Ausstoss von 1990 zu senken. Die staatliche niederländische Umweltagentur PBL hat errechnet, dass sie dieses Ziel erreichen werden. Sie werden sogar bei minus elf Prozent landen. Grund dafür sind jedoch nicht Einsparungen, sondern vor allem der Zusammenbruch der Industrie im ehemaligen Ostblock sowie die Verlagerung industrieller Produktion in Schwellenländer. Real sind die Treibhausgasemissionen zwischen 1990 und 2008 weltweit um fast vierzig Prozent gestiegen. Das meiste kommt heute zudem aus Ländern, die das Kyoto-Protokoll nicht unterzeichnet haben – aus den USA und Schwellenländern wie China oder Indien. Immer noch bläst die Menschheit jährlich insgesamt etwa 37 Milliarden Tonnen CO2 in die Luft – das sind fünf Milliarden zu viel, um das erklärte Ziel zu erreichen, nicht über zwei Grad Erderwärmung seit Beginn der Industrialisierung hinauszukommen.