Deutschland: Das Ende eines Gernegross

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Wie dumm darf ein Bundespräsident sein? Diese Frage beschäftigt derzeit die deutsche Öffentlichkeit. Dass sich Christian Wulff noch als Ministerpräsident von Niedersachsen einen günstigen Kredit bei einem befreundeten Unternehmerehepaar besorgt hatte und danach den Kontakt leugnete – das wäre ja noch durchgegangen: Er ist nicht der einzige Politiker, der die Nähe zu Geld und Glamour sucht. Dass Wulff seine Funktion als VW-Aufsichtsratsvorsitzender nutzte, um anschliessend diesen Kredit durch ein äusserst zinsgünstiges Darlehen bei der staatlichen BW-Bank abzulösen – auch das hätte man ihm nachgesehen. Welche Amtsperson nutzt nicht gern ein paar inoffizielle Kanäle? Eine Entschuldigung, und das wärs gewesen.

Dass Wulff aber glaubte, in einem Gespräch mit der Mailbox des «Bild»-Chefredaktors Kai Diekmann drohen zu können, um die Geschichte vom Tisch zu kriegen, und dann auch noch Diekmanns Chef, den Springer-Vorsitzenden Mathias Döpfner, anrief, das war nun wirklich blöder, als selbst die deutschen Medien erlauben. Nun könnte er ausgerechnet über «Bild» stürzen – ein Treppenwitz allererster Güte. Denn das Boulevardblatt hatte seinen Aufstieg stets gefördert und seine engen Kontakte mit halbseidenen Geschäftemachern und seine Ferien bei MillionärInnen meist wohlwollend begleitet. Wulff, der gerne Kanzler geworden wäre, ist im Kern ein Provinzpolitiker geblieben: hier ein kleines Geschäft auf Gegenseitigkeit, dort eine Gefälligkeit, man kennt sich ja – das gehört zum politischen Alltag, nicht nur in Deutschland. Wenn sich aber einer so leicht erwischen lässt, dann kennt am Ende nicht einmal die SPD ein Pardon, die Wulff vor ein paar Tagen noch unterstützt hatte (und deren früherer Chef Gerhard Schröder in denselben Kreisen verkehrt wie der noch amtierende Bundespräsident). Denn so einer gefährdet das System des Gebens und Nehmens und der Nähe von AmtsträgerInnen zur wirklichen Elite. PW