Kommentar von Daniel Stern: Was heisst in dieser Partei schon «moderat»?
Mit wem wird die Republikanische Partei am 6. November gegen US-Präsident Barack Obama antreten? Favorit ist der wirtschaftsliberale Mitt Romney. Doch ohne den rechten Parteiflügel geht nichts.
Im US-Bundesstaat Iowa haben am Dienstag die Vorwahlen der Republikanischen Partei im Kampf um das US-Präsidentschaftsamt begonnen. Die AnhängerInnen der Partei müssen sich in den kommenden Monaten im ganzen Land für einen Kandidaten oder eine Kandidatin entscheiden. Gewonnen haben in Iowa gleich zwei: der Vertreter des Wirtschaftsflügels, Mitt Romney, sowie der christlich-fundamentalistische Rick Santorum. Der ultraliberale Ron Paul hat als Drittplatzierter einen Achtungserfolg erzielt.
Noch ist alles offen. Iowa war erst der Anfang. Und der Staat im Mittleren Westen entsendet nur wenige Delegierte an die entscheidende Parteiversammlung von Ende August in Tampa. Doch eins ist klar: Romney bleibt Favorit, zumal am kommenden Dienstag im Bundesstaat New Hampshire gewählt wird, wo er bei den Umfragen haushoch vorne liegt.
Romney gilt gegenüber seinen grössten KonkurrentInnen als moderater. Doch was heisst das schon? Die Republikanische Partei steht weiter unter starkem Einfluss der religiösen Rechten wie auch der sogenannten Tea-Party-Bewegung. Diese haben einen programmatischen Grundkonsens durchgesetzt: gegen eine allgemeine Krankenversicherung, gegen das Recht auf Abtreibung und Homosexuellenehe, gegen Einschränkungen beim klimaschädigenden CO2-Ausstoss, gegen jede Beschränkung des Waffenbesitzes, gegen jede Form von Steuererhöhungen. Kein Kandidat kann es sich leisten, dieses Mantra zu ignorieren. Es verdeutlicht die Fundamentalopposition gegen die eigentlich sehr zaghafte Politik der DemokratInnen.
Romney musste sich im bisherigen Wahlkampf des Öfteren vorhalten lassen, er sei ein Wendehals: So hatte er sich als Gouverneur von Massachusetts noch für eine allgemeine Gesundheitsversicherung in seinem Staat starkgemacht, hatte Steuern erhöht, sich für konkrete staatliche Aktionen gegen den Klimawandel ausgesprochen und versprochen, Abtreibungen nicht zu illegalisieren. Ausserdem ist Romney Mormone, was ihn in evangelikalen Kreisen suspekt macht. Und er ist ein Mann des politischen Establishments, was ihm bei der Tea-Party-Bewegung keine Freunde schafft.
Doch Romney braucht nicht die Liebe aller RepublikanerInnen. Viele Rechte sehen in ihm die einzige Chance, Barack Obama aus dem Amt zu hebeln. Dafür sind andere schlicht zu extremistisch, zu unbeholfen – oder beides. Romneys kurzzeitig grösster Konkurrent, Rick Perry, scheiterte noch schneller wegen peinlicher Aussetzer vor laufender Kamera als die Hoffnungsträgerin des evangelikal-konservativen Lagers, Michele Bachmann. Der Baptistenprediger Herman Cain musste das Handtuch werfen, als seine sexuellen Übergriffe bekannt wurden. Und auch Newt Gingrichs Höhenflug hielt nur so lange an, bis sein in republikanischen Kreisen als unmoralisch angesehener Lebenswandel und sein politischer Zickzackkurs zum Thema wurden.
Ein Phänomen für sich bleibt der grossväterlich wirkende Ron Paul, der am meisten Stimmen bei den ganz jungen WählerInnen errungen hat. Doch einer, der das Militärbudget zusammenstreichen sowie Marihuana legalisieren will und im Iran keine Bedrohung der USA sieht, ist für die Mehrheit der RepublikanerInnen der Letzte, den sie wählen würden. Da nützt es auch nichts, dass der sonst stark auf die persönliche Freiheit fokussierte Paul gegen die Abtreibung polemisiert. Paul ist ein Extremist, mit einigen seiner Forderungen zwar auch für Liberale attraktiv, aber gleichzeitig auch abstossend, wenn er etwa alle staatlichen Sozialversicherungen abschaffen und die USA aus der Uno führen will.
Der neue Stern bei den religiösen Rechten ist der Katholik Rick Santorum. Bis kurz vor der Wahl in Iowa wurde er national kaum wahrgenommen und war lange auch in Iowa selber bei Umfragen weit hinten platziert. Der Niedergang anderer KandidatInnen hat ihn jetzt nach vorne gespült. Santorum könnte zum schärfsten Konkurrenten für Romney werden. Er wird Romney von rechts weiter unter Druck setzen. Bereits hat er angekündigt, er würde den Iran militärisch angreifen, wenn das Land in der Atomfrage nicht kooperiere.
Doch die Wahlkampfmaschine von Romney läuft auf Hochtouren, während Santorum in vielen Bundesstaaten noch kaum eine Hand geschüttelt hat. Romney hat unter allen republikanischen BewerberInnen bislang mit Abstand am meisten Spendengelder für seinen Wahlkampf gesammelt. Er wird etwa vom Hedgefondsmanager John Paulson unterstützt, der in der sogenannten Subprime-Krise Milliarden machte, indem er frühzeitig auf sinkende Häuserpreise setzte.
Wenn Romney sich keinen groben Schnitzer leistet und nicht doch noch unerwartet ein grosser republikanischer Star auftaucht, der die verschiedenen Parteiflügel zu vereinen weiss, wird Romney wohl das Rennen machen. Und er wird auch wieder moderatere Töne von sich geben, wenn er dann direkt gegen Barack Obama antritt. Schliesslich muss er auch viele Stimmen aus der politischen Mitte gewinnen. Wie er allerdings als US-Präsident sein würde und wie sehr Rechtskonservative und Ultraliberale auf ihn Einfluss nehmen würden, das bleibt unklar.