Kost und Logis : Schams–Toggenburg 1:0

Nr. 3 –

Bettina Dyttrich über zwei Täler und die Politiker, die sie prägen

Diesmal geht es nicht kreuz und quer durchs Toggenburg (siehe WOZ Nr. 50/11), sondern kreuz und quer durchs Schams. Das Bündner Bergtal zwischen Viamala- und Rofflaschlucht ist trotz der San-Bernardino-Autobahn dem sanften Tourismus treu geblieben: Es gibt hier Winterwanderwege, Schlittelpisten, ein Ökohotel und ein Thermalbad, aber keinen einzigen Skilift. Und Parallelen zum Toggenburg gibt es auch: Beide Täler gelten als strukturschwach, in beiden können WanderInnen auf einem Klangweg seltsame Instrumente zum Tönen bringen, in beiden soll ein Naturpark entstehen, und in jedem wohnt ein Nationalrat. Lange waren sie Parteikollegen: SVP-Präsident Toni Brunner und Hansjörg Hassler (heute BDP).

Dass sich die beiden Täler heute in verschiedene Richtungen entwickeln, hat einiges mit den beiden zu tun: Toni Brunner hat den ToggenburgerInnen so lange Angst vor dem Naturpark Toggenburg-Werdenberg eingejagt, bis sie ihn ablehnten; und das Einzige, was ihm zur Energiepolitik einfällt, ist, sie zur Ausländerpolitik zu machen. Hansjörg Hassler hingegen ist Präsident des Vereins Naturpark Beverin, und er setzt sich seit langem für erneuerbare Energien ein: Die grossen Solardächer in seinem Heimatdorf Donat sind nicht zu übersehen. Und im Ökohotel – dem «Piz Vizan» im abgelegenen Dörfchen Wergenstein – ist die Fachstelle Tourismus und nachhaltige Entwicklung der Zürcher Hochschule ZHAW untergekommen. (Übrigens: Essen Sie Capuns in der «Alten Post» in Zillis! Und Käse von der Sennerei Andeer!)

Jetzt soll es im Toggenburg doch noch einen Naturpark geben: weiter im Osten, im Neckertal, zusammen mit der Ausserrhoder Gemeinde Urnäsch. Er hat bessere Chancen als der Naturpark Toggenburg-Werdenberg: Viele haben inzwischen gemerkt, dass ein Naturpark kein Naturschutzgebiet ist, sondern in erster Linie ein Instrument, um eine Landschaft zu vermarkten. Das hat durchaus etwas Zwiespältiges, ist aber für viele ländliche Regionen abseits des Massentourismus nicht die schlechteste Lösung.

Aber offenbar wollen sich die NeckertalerInnen alle Optionen offenhalten: Das Autorennen von St. Peterzell nach Hemberg, das vor mehr als zwanzig Jahren nach langen Protesten von UmweltschützerInnen abgeschafft wurde, soll im September 2012 wieder stattfinden – der Kanton St. Gallen hat es bewilligt. Das passt zum geplanten Naturpark wie die Faust aufs Auge. Der treffendste Kommentar dazu kommt ausgerechnet von Toni Brunner, letztes Jahr im «St. Galler Tagblatt»: «Naturpärke wollen sich mit ihrer Naturnähe gegenüber anderen Regionen abheben. Wieso sonst soll man denn ein Naturpark sein? Diesen Geist müsste man konsequenterweise verinnerlichen. Die Besucher eines Naturparks suchen mit Sicherheit kein Autorennen.»

Bettina Dyttrich ist WOZ-Redaktorin.