Fumoir : Der Lieblingsbundesrat

Nr. 4 –

Yusuf Yesilöz wird unfreiwillig zum Politologen

Das Leben ist manchmal ein einziges Rätsellösen. Kürzlich überraschte mich eine ganz bizarre Anfrage eines Mannes, sodass ich vor Erstaunen fast meine Zunge verschluckt hätte. Dieser Mann rief mich morgens um fünf nach sieben Uhr an und fragte, ob ich schon wach sei. Seine zweite Frage lautete dann, ob ich als Ausländer, der in der sicheren Schweiz sicher dankbar lebe, die helvetische Politik verfolge. Ich verneinte die Frage mit heftigem Zorn in der Stimme und hoffte, der Anrufer würde mich in Ruhe lassen. Der Mann wurde aber nur höflich, er entschuldigte sich, er wolle mir trotzdem erzählen, sagte er, warum er mich angerufen habe.

Er sei übrigens der Peter, sagte der Anrufer. Es sei so: Er habe letzten Abend seinem Sohn, der leider ein wenig begriffsstutzig sei, wenn es darum gehe, politische Zusammenhänge des Landes zu verstehen, vergeblich die sieben Bundesräte zu charakterisieren versucht. Sohn Adrian müsse jetzt aber für die bevorstehende Aufnahmeprüfung einer Fachhochschule in Wirtschaftsmanagement ein Mitglied der Schweizer Landesregierung kurz und frei beschreiben.

Und darum rufe er mich an: Vor einem Jahr habe ein Cousin seines Sohnes die gleiche Prüfung dank eines Satzes eines Kebabverkäufers mit bester Note bestanden. Dieser habe damals die Bundesrätin Doris Leuthard mit folgendem Satz charakterisiert: «Um die unfassbaren Worte dieser Frau zu verstehen, braucht jeder Bürger mindestens einen Bischof als Übersetzer.»

Als pflichtbewusster Vater, so Peter, habe er gedacht, dass ich als Landsmann dieses Verkäufers für seinen Sohn eine Bundesrätin oder einen Bundesrat kurz und verständlich beschreiben könne.

«Hoppla», sagte ich zu Peter, erklärte mich aber bereit, diesem Vater, der an die Zukunft seines Sohnes denkt, zu helfen. Peter bedankte sich überschwänglich, bevor er den Hörer auflegte.

Ich liess alle sieben BundesrätInnen wie die Perlen einer Gebetskette durch meine Finger gleiten, blieb bei meinem Lieblingsbundesrat Ueli Maurer hängen. Ich weiss nicht, warum dieser Mann mich so fasziniert, vielleicht deshalb, weil er Herr über so viele, zum Teil verschrottete Panzer ist.

Ohne zu frühstücken, setzte ich mich an den Computer und googelte Ueli Maurer. Auf einen Mausklick hin erschienen Hunderte Bilder und Hunderttausende Texte. Über diesen Mann wurde aber vieles gesagt! Maurer war Thema für die Satiriker. Ein Spitzensportler bedankte sich, weil Maurer den Athleten bei einem Match zugeklatscht habe. Ganz rührend war der Satz einer Leserbriefschreiberin: «Gott wird Maurers Familie segnen, allein deshalb, weil alle sechs Kinder tupfgenau wie der Vater aussehen, was in unserer Zeit nicht immer selbstverständlich, gar so rar wie eine Mondfinsternis ist.»

«Was soll ich, der arme Ausländer, noch zu diesem berühmten Bundesrat sagen?», ging mir durch den Kopf. Ich rief den Peter an und berichtete, dass ich nichts Gescheites gefunden hätte, der Sohn könne an der Prüfung von mir aus sagen:

Dieser Bundesrat Maurer habe ja Ausserordentliches geleistet, weil er sechs Kinder gezeugt und aufgezogen habe. Heutzutage brächten es nicht einmal alle Männer eines ganzen Dorfs zusammen auf so viele Kinder wie Maurer. Wenn Ueli Maurer schon gänzlich ohne Hilfsmittel sechs Kinder gezeugt habe, was ja eine gigantische Leistung sei, müsse er nicht noch ein Land mitregieren. Maurer solle sich im Garten auf einen Stuhl setzen und relaxen. Er dürfe nur fürs Milchaufwärmen aufstehen.

Yusuf Yesilöz ist Schriftsteller 
und lebt in Winterthur.