«Nilpferde unter dem Haus»: Eine lange Nacht in der Beiz
Die Nilpferde tauchen eines Nachts auf. Sie waren verborgen unter dem Haus, das von fremden Leuten abgerissen wird. Das Gefühl, das Hansjörg Schneider aus diesem Traum mitnimmt, ist Trauer. Eifersucht hingegen bleibt hängen aus einem Albtraum, in dem ein Luchs auf seine Frau zugeht, diese jedoch gar keine Angst vor ihm hat.
Anhand von Träumen sein Leben zu erzählen, das schwebte Hansjörg Schneider vor Augen. Und auch wenn es nicht die ursprünglich geplanten 400 Seiten geworden sind, so ist «Nilpferde unter dem Haus» doch ein spannendes Buch. Traumdeutung war für den jungen Hansjörg Schneider, damals noch Lehrer und Journalist, überlebenswichtig. Mithilfe einer Psychoanalyse entkam er seinen Depressionen und begann, ernsthaft zu schreiben: über seinen tyrannischen Vater und seine unglückliche Mutter. Auch in diesem Buch rechnet der Autor mit den Autoritäten in der «verhockten» Schweiz der fünfziger Jahre ab. Und er berichtet von den leidvollen Erfahrungen mit Dramaturginnen und Kritikern. So begreift man nachträglich auch, warum Schneider die Theaterleute in «Hunkeler und die Augen des Ödipus» derart angriffslustig (über-)zeichnet.
Aber für eine rabiate Abrechnung besitzt Hansjörg Schneider zu viel Selbstironie: «Erfolg im Alter ist wundervoll. Man bekommt nachträglich recht.» Seine Tagebuchaufzeichnungen beschäftigen sich mit allem, was in seinem Leben eine Rolle spielte, auch wieder mit seiner verstorbenen Frau, der er schon das «Nachtbuch für Astrid» gewidmet hat.
Bestechend an diesem Buch ist die Offenheit, mit der Hansjörg Schneider erzählt. Man liest es, als würde man eine lange Nacht mit dem Autor in einer Beiz sitzen, trinken und reden, sinnieren, lästern, schwärmen, trauern und lachen. Danke für das Gespräch!
Hansjörg Schneider: Nilpferde unter dem Haus. Diogenes. Zürich 2012. 224 Seiten. Fr. 36.90