Was weiter geschah: «Stossend, ja willkürlich»
Nachtrag zur Geschichte über den Mord an einem Gewerkschafter in Kolumbien.
Ist die Nestlé-Führung mitverantwortlich für den gewaltsamen Tod des ehemaligen Nestlé-Mitarbeiters und Gewerkschafters Luciano Romero in Kolumbien? Diese Frage sollte die Staatsanwaltschaft Zug ab dem 5. März 2012 beurteilen – an diesem Tag haben die Berliner Menschenrechtsorganisation European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) und die kolumbianische Gewerkschaft Sinaltrainal eine entsprechende Strafanzeige eingereicht.
Florian Wick, der gemeinsam mit seinem Anwaltskollegen Marc Bosonnet die Kläger in der Schweiz vertritt, erklärt, die Anzeige sei bewusst in Zug und nicht im Waadtland eingereicht worden – was möglich gewesen sei, weil Nestlé zwei Hauptsitze habe, einen in Vevey und einen in Zug. «Wir denken, dass die Voraussetzungen für eine unabhängige Untersuchung in Zug eher gegeben sind. Denn im Waadtland ist Nestlé räumlich und wirtschaftlich viel präsenter.»
In den letzten drei Monaten habe die Zuger Staatsanwaltschaft die Anzeige bloss geprüft und weiter nichts unternommen, sagt Wick. Als er sich letzte Woche nach mehreren schriftlichen Anfragen telefonisch erkundigt habe, habe er erfahren, dass der Fall von der waadtländischen Staatsanwaltschaft übernommen worden sei. Sie, die Privatkläger, seien weder informiert worden, noch hätten sie auf Nachfrage eine schlüssige Begründung erhalten. «Es hiess bloss, die Haupttätigkeit von Nestlé liege im Waadtland. Um das festzustellen, braucht man nicht drei Monate», sagt Wick. Gegenüber der WOZ machte die Zuger Staatsanwaltschaft geltend, dass keine der von der Klage betroffenen Personen im mutmasslichen Deliktzeitraum in Zug gearbeitet habe.
Es sei aussergewöhnlich, sagt Florian Wick, dass die Übergabe innert weniger Tage vereinbart und abgeschlossen worden sei. Das gesamte Vorgehen sei stossend, ja willkürlich. «Es ist offensichtlich, dass der Kanton Zug den Fall nicht behalten und der Kanton Waadt ihn unbedingt haben wollte.» Sogar die Anwälte von Nestlé hielten die Zuger Staatsanwaltschaft für zuständig.
Florian Wick und Marc Bosonnet prüfen nun, beim Bundesstrafgericht eine Beschwerde gegen die Übernahme einzureichen, damit der Fall weiterhin in Zug bleibt.