Schweden und der Gripen: Hoffen auf ein Schweizer Nein

Nr. 35 –

Der Kampfjet Gripen ist auch in Schweden sehr umstritten. Sogar das Militär befürchtet zu hohe Kosten. Die linken ArmeekritikerInnen fordern, die Waffenfirma Saab müsse auf zivile Produkte umstellen.

Die Vorsitzenden der vier Parteien, die Schwedens konservativ-liberale Regierungskoalition tragen, veröffentlichten am vergangenen Wochenende eine gemeinsame Erklärung. Darin rechtfertigen sie neue, milliardenschwere Militärausgaben. Die Erklärung erinnert an die Rhetorik des Kalten Kriegs: Die Regierung müsse «in diesen unruhigen Zeiten Verantwortung für das Land übernehmen», hiess es. Dafür brauche Schweden neue Kampfjets. Und habe deshalb auch ein entsprechendes Zusammenarbeitsabkommen mit der Schweiz geschlossen.

Das Bedrohungsszenario sei in jüngster Zeit deutlich gewachsen, sagten die PolitikerInnen dabei weiter – ein eindeutiger Seitenhieb in Richtung Moskau. Es sei ein Szenario, gegen das sich das skandinavische Land mit neuen Rüstungsanstrengungen wappnen müsse. Konkret: mit dem Kampfjet vom Typ Saab JAS-39 Gripen E.

Das Credo, Neutralitätspolitik sei nur glaubhaft mit einem starken Militär, beherrschte die schwedische Sicherheitspolitik bis in die neunziger Jahre. Damals verfügte das Land über eine Milizarmee mit gesamthaft 623 000 Personen (inklusive der ReservistInnen). Doch mit dem Untergang der Sowjetunion und dem Ende des Kalten Kriegs fiel auch der äussere Feind weg: Binnen fünfzehn Jahren wurde das Militär in eine Berufsarmee umgewandelt und das Personal auf 32 000 Stellen zusammengestrichen. Der Militäretat schrumpfte und ist seit fünf Jahren faktisch eingefroren. Die einstige schwedische «Invasionstruppe» wurde unter dem Motto «kleiner, aber schlagkräftiger» zu einer «Einsatztruppe» umgebaut, die heute vor allem für internationale Einsätze, primär unter Uno-Mandat, eingesetzt wird. Und die schon lange nur noch theoretisch bestehende allgemeine Wehrpflicht wurde 2010 auch offiziell abgeschafft.

Von dieser Schrumpfpolitik war auch die Luftwaffe betroffen, die vorwiegend mit Flugzeugen fliegt, die in Schweden selbst entwickelt und produziert worden sind. Seit Anfang der neunziger Jahre ist dies aufgrund eines bereits in den siebziger Jahren gefassten Rüstungsbeschlusses der Kampfjet JAS-39 Gripen vom einheimischen Saab-Konzern. Die drastischen Einsparungen führten allerdings dazu, dass die vereinbarte anzuschaffende Stückzahl gegenüber den Ursprungsplänen auf rund hundert halbiert wurde – vor allem auf Druck der Militärführung, die angesichts der völlig überdimensionierten Luftwaffe befürchtete, ihren Spielraum für Investitionen in anderen Bereichen zu verlieren.

Auch jetzt ist es die Militärführung, die vor einem Ungleichgewicht warnt. Um die Weiterentwicklung des Gripen finanzieren zu können, soll zwar das Militärbudget wieder aufgestockt werden. Allerdings nur um jährlich 300 Millionen Kronen (umgerechnet über 43 Millionen Franken) – obwohl allein mit jährlichen Systemkosten für das neue Kampfjetmodell in Höhe von mindestens 3,3 Milliarden Kronen (knapp 480 Millionen Franken) gerechnet wird.

Warum aber braucht Schweden überhaupt neue Kampfjets, obwohl die bestehenden noch zwanzig Jahre lang im Einsatz sein könnten? Warum müssen es wie geplant gleich vierzig bis sechzig neue Exemplare sein, obwohl laut MilitärexpertInnen bereits zehn bis fünfzehn der neuen Gripen-Kampfjets ausreichen, «das Land zu sichern»? Und warum die Festlegung auf fixe Milliardenkosten während dreier Jahrzehnte?

Dass hinter all dem die Bedürfnisse der einheimischen Rüstungsindustrie stecken, geben die Gripen-BefürworterInnen in der Regierung offen zu. Sie argumentieren, dass die Branche stets mit neuen Aufträgen gefüttert werden müsse, um sich weiterentwickeln zu können, und Schweden nur so seine Fähigkeit zur Produktion eigener Kampfflugzeuge erhalten könne. Dies, so die Regierung, schaffe zudem Arbeitsplätze und habe positive Auswirkungen auf Forschung und Innovation.

Eine Argumentation, die Lena Sommestad, Vorsitzende der Partei des sozialdemokratischen Frauenverbands, scharf zurückweist. Es gebe andere, friedlichere Bereiche, in denen Investitionsbedarf bestehe, die Arbeitsplätze schafften und Innovation förderten: «Stattdessen will man sich nun auf Aufrüstung und Waffenexport festlegen», sagt Sommestad.

Ohne eine Beteiligung der Schweiz werde es den neuen Gripen jedoch nicht geben. Das hat Stockholm zumindest indirekt klargemacht. Ohne mindestens ein Exportland wären die Entwicklungskosten für einen neuen Gripen politisch nicht durchsetzbar – weshalb GegnerInnen der Aufrüstungspläne wie die oppositionellen Grünen und Linken nun auf ein Nein aus der Schweiz hoffen. So erwartet Peter Radberg, verteidigungspolitischer Sprecher der Grünen, viel höhere als die bislang auf umgerechnet fünfzehn Milliarden Franken geschätzten Gesamtkosten und sieht aktuell keinen Bedarf Schwedens für den neuen Jet: «In Wirklichkeit geht es nur um die Exportinteressen von Saab.»

Auch Torbjörn Björlund, Vertreter der Linkspartei im verteidigungspolitischen Parlamentsausschuss, hätte nichts dagegen, wenn das Exportgeschäft mit der Schweiz platzen würde. «Wir brauchen Saab», sagt Björlund. «Aber nicht als Waffenproduzent. Es wird Zeit, die Waffenindustrie endlich auf andere Produkte umzustrukturieren.»