Medientagebuch: «DU bist Radio!»

Nr. 36 –

Karin Hoffsten über eine unvergleichliche Sendereihe

Wenn in einem alternativen Radio seit drei Jahren eine Sendung läuft, die mit Medienpreisen überhäuft und dazu noch wissenschaftlich begleitet wird, fragt man sich: Ist das jetzt vor allem gut oder auch spannend? Um die Antwort vorwegzunehmen: Es ist beides!

Seit 2009 ermöglicht die Sendereihe «DU bist Radio» (DBR) auf Kanal K, dem «Musik- und Mitmachradio» aus dem Aargau, intime Blicke ins Innere von Räumen, die wir sonst fast nie selbst betreten. Im Mittelpunkt stehen Menschen «mit einer besonderen Lebensgeschichte», schreibt das DBR-Team, «sie werden ins Radiohandwerk eingeführt und produzieren ihre eigene Radiosendung. Es entstehen völlig authentische, journalistisch ungefilterte Sendungen» von sechzig Minuten Dauer.

Ob Steiner-SchülerInnen, GefängnisinsassInnen, Heimjugendliche, Nonnen oder Mönche unterschiedlicher Religionen oder Menschen, die eine bestimmte Krankheit oder eine spezielle Lebenssituation verbindet: «Ziel ist es, ihnen eine Stimme zu geben und auf diesem Weg Vorurteile, Ängste und Unwissenheit in unserer Gesellschaft abzubauen.» Und der Weg zu diesem Ziel ist faszinierend.

Mit Prosatexten, Gedichten, Rapsongs, Hörspielszenen, Talk- und Quizshows, der eigenen Lebensgeschichte, Musik in allen Formen und viel Begeisterung wird da Radio gemacht, auf YouTube finden sich Ausschnitte. Etwa ein «Werbespot», den Mike in der Strafanstalt Lenzburg für den «5-Stern-Hochsicherheitswellnesstempel der Schweiz» verfasst hat: «Nur hier vereinen sich Qualität, Sicherheit, Erholung und Service zur vollkommenen Symbiose. (…) Sie geniessen die Vorteile eines vereinfachten Hauspostservice, der Ihnen Ihre Briefe zuklebt und die Pakete für Sie öffnet und sortiert. Unser Haus besitzt einen offiziellen und weltweit anerkannten Offshorestatus, denn Sie bezahlen während Ihres Aufenthaltes keine Steuern.»

Oder eine Performance von «Stand by Me» der Hindelbank-«Knastband», die zu Herzen geht; oder ein Hörspieldialog zwischen Jugendlichen auf dem Neuhof Birr über das Problem, dass beim Pinkeln für die Urinkontrolle immer einer zuguckt; und der melodische Gesang der Mönche im buddhistischen Tempel Wat Srinagarindravararam in Gretzenbach, der naturgemäss nach «Du bist Ladio» klingt.

Das mittlerweile 25-jährige Alternativradio Kanal K strahlt diese Reihe seit ihrem Beginn am ersten und zweiten Montag im Monat aus; am ersten Termin wird das Thema oder die Institution vorgestellt, die die MacherInnen des Monats verbindet, die zweite Sendung gestalten diese ausschliesslich selbst; die Unterstützung des DBR-Teams beschränkt sich auf technisches Know-how. Entstanden ist das DBR-Team im Rahmen von «stage-on-air», einem Programm für Stellenlose in Aarau.

Ralf Stutzki, Redaktionsleiter und Dozent am Institut für Bio- und Medizinethik der Universität Basel, das die Sendereihe wissenschaftlich begleitet, stellt immer wieder fest, dass die Menschen in diesen Sendungen häufig mehr Persönliches preisgeben, als ihr Umfeld sonst über Jahre erfährt. Die Möglichkeit, im Team zusammenzuarbeiten, sich selbst, ihre Geschichte, Hoffnungen und Talente zu zeigen, stärkt ihr Selbstwertgefühl spürbar.

In der aktuellen Sendung erlauben neunzehn Frauen aus der Frauenstrafanstalt Hindelbank witzige, informative, tieftraurige und hoffnungsvolle Einblicke in ihr Leben. Beim Hören empfiehlt sich ein Nastuch in Griffweite.

Karin Hoffsten ist WOZ-Autorin.

«DU bist Radio» wird zudem auch auf Radio X und Radio RaBe ausgestrahlt. 
Infos und Programm: www.du-bist-radio.ch.