Kleinradios in der Schweiz: Ein Land auf Sendung
Die Schweiz tut sich schwer damit, sich vom analogen UKW-Funk zu verabschieden. Dabei hat sich längst eine vielfältige Landschaft von Digitalradios gebildet. Zu Besuch bei vier von ihnen.
Es ist Dienstagabend, kurz vor fünf Uhr. Während noch ein letztes Lied von der Rotation läuft, macht sich Emma Thibert am Mikrofon bereit. Sie steht hinter einer raumhohen Glaswand, ganz zuvorderst im «Raumschiff»: So nennen die Macher:innen von Radio Vostok ihr Studio, das sie vor zwei Jahren im Parterregeschoss eines verschachtelten Gebäudes mitten in der Genfer Innenstadt eingebaut haben. Eine wuchtige, schalldicht isolierte Konstruktion, deren drei aneinandergereihte Einzelräume durch dicke Scheiben voneinander getrennt sind.
Dann gehts los, das Intro von «La Quotidienne» (Die Tägliche) ertönt. Thibert läutet ihre zweistündige Kultursendung mit einer langen Anmoderation ein, sie sinniert über Genfer Bandnamen von Cyril Cyril bis Citron Citron, kündigt mehrere Interviewgäste an. Dann hebt sie die Hand über den Kopf, gibt nach dem letzten Wort ein Zeichen – und im Regieraum nebenan spielt ein Kollege nahtlos den ersten Track. Neue Musik aus der Schweiz, wie immer zu Beginn von «La Quotidienne».
Ein Knotenpunkt in Genf
Emma Thiberts Sendung ist das Aushängeschild von Radio Vostok. Sie moderiert sie montags bis donnerstags live, freitags gibts ein Best-of der Woche. Manches von dem, was sie am Mikrofon erzähle, schreibe sie vorher minutiös auf, sagt Thibert; vieles aber auch nicht, vor allem nicht die Interviewfragen, «sonst klingt das hölzern». Zur Sendung gehören auch Kurzberichte zu Musik, Theater, Tanz, Literatur, Kunstausstellungen, die ganze Palette.
Radio Vostok will Knotenpunkt, Plattform, Spielwiese für die Genfer Kultur sein. «Die Stadt hat eine extrem lebhafte Szene», sagt Thibert, «es gibt unglaublich viel abzudecken.» Oft sendet Vostok live von Musikfestivals, und alle paar Wochen gibts im Foyer Livekonzerte mit Publikum für den Radiostream. Ziel wäre eigentlich, den moderierten Sendeanteil auszubauen – wofür derzeit aber die Ressourcen fehlen. Immerhin sei gerade eine Sendung am Entstehen, die immer sonntags laufen soll, sagt Thibert: «La Grande Messe» (Der Grosse Gottesdienst), ein feministisches Format, an dem ausschliesslich Frauen mitwirken.
Die schweizerische Radiolandschaft ist ein komplexes Gebilde. Grob gesagt gibt es die Sender der SRG, von SRF 1 bis Radio Rumantsch; dann die profitorientierten Privaten, von Radio 1 bis Radio Zürisee; und die vielen anderen: die kleinen, tendenziell unabhängigen, tendenziell nischigen – und tendenziell finanziell klammen Sender. Zu ihnen gehört Radio Vostok.
Emma Thibert, die nebenbei noch für ein Onlineportal schreibt und ein Filmprojekt verfolgt, ist eine der wenigen Personen, die bei Vostok überhaupt etwas Geld verdienen. Von Beitragsmacherinnen über Tontechniker bis hin zu Web-Publisherinnen seien insgesamt zwischen vierzig und fünfzig Menschen involviert, aber nur eine Handvoll von ihnen arbeite gegen Bezahlung, erklärt Programmleiter Charles Menger. Die Pensen betragen höchstens vierzig Prozent, und wer eine Anstellung habe, stecke darüber hinaus oft nochmal genauso viel Gratisarbeit in den Sender, wie es alle anderen auch täten. Radio Vostok finanziert sich hauptsächlich durch Stiftungsgelder und städtische Beiträge. «Für Einzelprojekte lässt sich in Genf ziemlich rasch Geld auftreiben», erklärt Menger. So habe man auch die Finanzierung des «Raumschiffs» stemmen können. «Um aber mehr Löhne auszahlen zu können, wären regelmässige Unterstützungsgelder nötig.» Solche seien viel schwieriger zu bekommen. Tagsüber läuft auf Radio Vostok deshalb Musik; durchwegs Bekömmliches aus etlichen Dekaden der Musikgeschichte, auf Feist folgen Kraftwerk und Childish Gambino.
Vieles von dem, was im Vostok-Raumschiff passiert, wirkt ziemlich oldschool. Im dunklen Kontrollraum steht ein massiges, uraltes Mischpult, das ein Freund von Menger vor ein paar Jahren in Hunderten Arbeitsstunden auf Vordermann gebracht hat. «Wir sind hier ein bisschen vintage», sagt Menger, der Teil des Trios war, das Vostok vor zwölf Jahren ins Leben rief. Aber trotz aller Liebe fürs Analoge: Seit es Radio Vostok gibt, sendet es digital. Anfangs ganz simpel via Onlinestream und seit 2015 auf DAB+, der digitalen Variante der terrestrischen Radioverbreitung. Das heisst, das Radiosignal kommt vom Funkmast, aber in digital codierter Form.
Analoge Parallellandschaft
Die DAB-Technologie (für «digital audio broadcasting») hat sich in der Schweiz seit der Jahrtausendwende durchgesetzt, zunächst mit der SRG als Triebfeder. Um in der Schweiz die Radiovielfalt zu fördern, wurde 2007 bei einer Gesetzesrevision die Konzessionspflicht für Radios aufgehoben, und 2014 startete ein vom Bundesamt für Kommunikation (Bakom) und privaten Radiostationen gemeinsam aufgegleister Migrationsprozess. Dessen Ziel lautete, einigermassen geordnet und einheitlich den Schritt von der analogen Ultrakurzwelle (UKW) hin zur flächendeckenden Nutzung von DAB+, der seit 2012 forcierten Nachfolgetechnologie von DAB, zu machen.
Der Prozess lässt sich einerseits als Erfolgsgeschichte beschreiben. Die Radioverbreitung über DAB+ nahm stetig zu, gemäss Bakom werden mittlerweile 77 von 100 Radiominuten in der Schweiz auf digitalem Weg konsumiert, nicht zuletzt deshalb, weil in neuen Autos seit zehn Jahren standardmässig DAB+-Geräte verbaut werden. Bloss acht Prozent der Radiohörer:innen empfangen ihre Sender noch ausschliesslich per UKW. Zudem hat sich im Zuge der DAB+-Verbreitung die schweizerische Radiolandschaft grundsätzlich verändert. Sie ist wesentlich vielfältiger geworden; um nämlich ein digitales Radiosignal verbreiten zu dürfen, braucht man sich nicht mehr um eine der Funkkonzessionen zu bemühen, die das Bakom in begrenzter Anzahl erteilt. Seit 2007 besteht bloss noch eine Meldepflicht. Die verfügbaren Sendeplätze wurden mit der Zeit stark ausgebaut – wodurch sich die Anzahl der terrestrisch verbreiteten Radioprogramme in der Schweiz vervielfachte. Rund 150 sind heute in der Bakom-Mediendatenbank aufgeführt.
Stark zu dieser Entwicklung beigetragen hat die Firma Digris, ein Netzwerkbetreiber mit Sitz in Zürich. Seit 2014 bietet Digris DAB+-Sendeplätze in der ganzen Schweiz an, die wesentlich günstiger sind als einst. Auf schweizweit mittlerweile achtzehn «Inseln», wie Digris seine Funkstandorte nennt, können kleine Radios für jährliche Beträge zwischen 6000 und 30 000 Franken – je nach Bevölkerungsdichte in der Umgebung – ihr Programm senden. Auf der Website der Firma ist ein wilder Mix an Radiostationen aufgeführt: von Musikspartenkanälen über lokale Kultursender bis hin zu auffällig vielen religiösen Programmen. Etwa achtzig Radiostationen würden in der Schweiz derzeit über Digris senden, sagt Geschäftsführer Thomas Gilgen. Er geht davon aus, dass diese zwischen zwölf und dreizehn Prozent der gesamten Radiohörer:innenschaft im Land erreichen.
Andererseits zeigt sich mittlerweile, dass sich herausbildet, was gemäss Übereinkunft eigentlich hätte vermieden werden sollen: eine Parallel-Radiolandschaft, in der alle Sender digital zu empfangen sind, etwa sechzig aber gleichzeitig auch weiterhin per UKW. Eigentlich hatten sich SRG und Radioverbände 2014 darauf geeinigt, die analoge Radioverbreitung allerspätestens Ende 2024 abzuschalten. Ambitioniertere Pläne wurden mit der Zeit fallen gelassen.
Am vergangenen 25. Oktober hat der Bundesrat nun verkündet, was sich bereits abgezeichnet hatte: Die Abschaltung der UKW-Infrastruktur wird erneut verschoben, «letztmalig» bis Ende 2026 – 31 UKW-Konzessionen des Bakom laufen nochmals automatisch für zwei Jahre weiter. Die Radiobranche erhalte dadurch «die gewünschte Flexibilität, um den Migrationsprozess vom analogen zum digitalen Radio erfolgreich abzuschliessen», schreibt das Bundesamt.
Ein Bühnenbauer in Brugg
Es ist ein Entscheid, der Reto Wettstein wütend macht. Vor zwei Jahren hat der Wirtschaftsinformatiker, Unternehmer und FDP-Lokalpolitiker im aargauischen Brugg seinen eigenen kleinen Radiosender gegründet: Radio 2Go, das heute in den Regionen Aargau und Solothurn per DAB+ zu empfangen ist. «Die Aufschiebung der UKW-Abschaltung schränkt den Markt potenzieller Hörerinnen und Hörer stark ein», sagt Wettstein. Denn auch wenn heute nur noch wenige Leute ausschliesslich analog Radio hörten, so würde die fortlaufende UKW-Verfügbarkeit doch weiterhin die Hörgewohnheiten prägen. Zum Nachteil jener, die allein digital zu empfangen seien.
Und vor allem würden die Werbegelder – gemäss Stiftung Werbestatistik betrugen sie 2022 im gesamten schweizerischen Radiomarkt 118 Millionen Franken – grösstenteils in die Richtung jener Sender fliessen, die sowohl digital als auch analog zu empfangen sind. Denn bei der Vermarktung der Reichweite machen die paar zusätzlichen Prozent UKW-Publikum einen entscheidenden Unterschied. «In meinem Geschäftsmodell war die UKW-Abschaltung fest eingerechnet», sagt Wettstein. Nach vielen Jahren, in denen sich die grösseren Radios an die digitale Zukunft hätten anpassen können und vom Bund dafür auch Technologiefördergelder bekommen hätten, werde eine fortwährende Wettbewerbsverzerrung schulterzuckend aufrechterhalten. «Ich habe bereits sechsstellig in mein Start-up-Radio investiert», sagt Wettstein. «Ich gehe hier unternehmerisches Risiko ein, ohne staatliche Garantien.»
Das Studio von Radio 2Go passt in ein einziges, karg eingerichtetes Zimmer in einem schmucken, frei stehenden Haus gleich beim Bahnhof Brugg. Drei Pulte, ein paar Computermonitore, ein kleiner digitaler Schnittplatz. Ohne menschliches Zutun läuft das äusserst mehrheitsfähige Musikprogramm automatisch vor sich hin. Selten moderiere hier jemand live übers Mikrofon, sagt Wettstein: Was auf Radio 2Go an Beiträgen zu hören sei, bestehe hauptsächlich aus zusammengeschnittenen Audioaufnahmen, die er und fünf Kollegen unterwegs in der Schweiz einsammelten.
«Schweizweit Freizeit», so lauten Slogan und Vision von Radio 2Go. «Unser Zielpublikum sind Leute über 35, freizeitorientiert, aktiv, mit Kindern», erklärt Wettstein. Menschen, die sich fragten: Was wollen wir unternehmen? Die sich durch Berieselung informieren wollen, nicht durch aktives Suchen. In bezahlten Beiträgen sollen sie auf Radio 2Go von Freizeitangeboten erfahren. Mit seinem Radio wolle er Freizeitregionen vernetzen und «eine Bühne für den Binnentourismus» bauen, erklärt Wettstein. Und fürs lokale Gewerbe, dem er neben Werbeminuten auch weitere Dienstleistungen anbietet: IT-Lösungen fürs Kundenbeziehungsmanagement wie auch eine Jobplattform. Das Radio liefere «die emotionale Komponente» seines unternehmerischen Gesamtpakets, sagt Reto Wettstein.
Radio 2Go ist Mitglied der Unikom, der vor vierzig Jahren gegründeten Union nichtkommerzorientierter Lokalradios, die sich vehement gegen die jüngste UKW-Verlängerung eingesetzt hat. Eine solche könne «in keiner Weise als ‹Branchenlösung› dargestellt werden», schrieb die Unikom im April in einem offenen Brief. Vor allem die automatische Weiterführung der bestehenden UKW-Konzessionen sei problematisch, denn diese böten den betreffenden Radios «einen eindeutigen Marktvorteil».
Nun hat die Unikom in diesem Jahr einen markanten Umbruch erlebt. Lange hatten nämlich die sogenannten Komplementären den Grossteil der Unikom-Mitglieder ausgemacht: jene Radios, die über UKW-Konzessionen des Bakom verfügen und die für die nichtprofitorientierte Erfüllung eines Leistungsauftrags – sie sollen in ihrem jeweiligen Sendegebiet «eine publizistische Alternative zu den übrigen Radioprogrammen» bieten – vom Bund Gebührengelder erhalten. In den letzten Jahren schlossen sich dem Verband immer mehr Start-up-Radios an. Darunter viele, die von der Firma Digris verbreitet werden, die unter anderem mit Thomas Gilgen selbst im Vorstand vertreten ist. Nachdem es zu einem Zerwürfnis gekommen ist, haben sich jüngst eine ganze Reihe der «Komplementären» aus dem Verband zurückgezogen. Darunter alternative Urgesteine wie RaBe, Radio X oder Radio 3Fach.
Vielleicht sinnbildlich für den Umbruch sagt Reto Wettstein, der heute im Unikom-Vorstand sitzt, über sein Radio 2Go: «Ich bin zwar kommerziell ausgerichtet, aber ohne Subventionen oder gebietsexklusive UKW-Konzession im Moment noch defizitär.»
Eine Nische in Zug
Auf Jam On läuft den ganzen Tag sehr viel Rap und Hip-Hop. Mal mit fetten, dann avantgardistischen, dann souligen Beats. Und es läuft noch sehr viel anderes, was die Macher:innen unter dem Label «urban» zusammenfassen: von Reggae über Dancehall und Afrobeats bis R ’n’ B und Jungle. 2017 ist Jam On in seiner heutigen Form entstanden, in der Stadt Zug, als Neugründung eines bereits bestehenden Jugendradios. Es ist im lokalen Jugendkulturzentrum eingenistet, in drei kleinen Büroräumen gleich hinter dem Konzertsaal. Und bespielt von dort seine musikalische Nische, sendet live DJ-Sets und moderierte Genreformate.
Jam On, das seit Beginn ausschliesslich digital sendet, hat keinerlei kommerzielle Absichten. Es lebt hauptsächlich von öffentlichen Geldern von Stadt und Kanton. Lediglich etwa 200 Stellenprozente lassen sich derzeit finanzieren – der Grossteil der Arbeit wird gratis geleistet von insgesamt etwa fünfzehn Macher:innen.
Obwohl sich das nichtkommerzielle Selbstverständnis der Unikom-Radios in den letzten Jahren aufgeweicht hat, bleibt Jam On weiterhin Mitglied der Union. Allein schon wegen deren Bildungsangebot. Denn Jam On will jungen Menschen die Möglichkeit bieten, das Radiohandwerk zu erlernen. Der Sender bietet Praktika an, will die Leidenschaft fürs Radiomachen weitergeben – auf zeitgenössische Weise. «Radio existiert schon lange nicht mehr nur in seiner klassischen Form», sagt Jam-On-Geschäftsführer Till Petermann, «es ging mit den Entwicklungen auf Social Media mit.» Was Jam On deshalb an moderierten Sendungen produziert, wird multimedial ausgespielt, unter anderem als Podcasts. So machen es heute die meisten Radios.
«Daneben bleibt der lineare Radiostream aber bestehen», sagt Petermann. Die Nachfrage existiert weiterhin: Gemäss Monitoring der Interessengemeinschaft elektronische Medien sollen über sechs Millionen Menschen in der Schweiz «mindestens gelegentlich», vier Millionen sogar täglich Radio hören. Musikstreamingdienste, Videoplattformen und Social Media: Die Hörgewohnheiten mögen sich drastisch verändert haben, aber dem klassischen Radio scheint weiterhin ein Plätzchen im Alltag der Menschen zu gehören. «Es ist ein ungezwungenes Medium», sagt Gian Flurin, Programmleiter bei Jam On. «Das Radio nimmt dir Entscheidungen ab. Du bist beim Arbeiten, im Auto, beim Kochen, und es läuft einfach.» Und Vali Koller, Administratorin und stellvertretende Geschäftsleiterin, sagt: «Beim Radio kannst du eine Richtung wählen, dann lässt du dich treiben und überraschen.» Das schafft menschengemachtes Radio weiterhin besser als fein geschliffene Algorithmen.
Ein Sender für die Community
Im Studio von Albradio hat Moderator Astro freitagabends um halb acht alle Hände voll zu tun. Auf einem Bildschirm chattet er mit seinen Zuhörer:innen per Whatsapp, auf dem Handy bedient er einen Tiktok-Stream, daneben spielt er Musik. Die muss er aber ständig abklemmen, weil Telefonanrufe am Laufband reinkommen, aus allen Ecken des Landes. Astros Sendung ist ein Ratespiel, gesucht ist heute der Name einer Stadt, die irgendwo im albanischsprachigen Raum des Westbalkans liegt; zu gewinnen gibt es ein Flugticket Basel–Prishtina retour.
Er möchte nicht unter seinem bürgerlichen Namen zitiert werden, sagt Astro, die Leute würden ihn ohnehin nur unter seinem DJ-Namen kennen. Virtuos nimmt er nun Dutzende falsche Antworten entgegen. «Faleminderit, tung tung!» (Danke, tschüss!), sagt er im Minutentakt. Heute ist Astro besonders lange auf Sendung: Die richtige Antwort wäre Laç, eine kleine Stadt nördlich von Tirana, und sie will und will nicht fallen.
Astros Ratespiel ist beim Publikum überaus beliebt. Und trotzdem hat es keinen fixen Sendeplatz, ihm wäre es schlicht nicht möglich, einen solchen verbindlich einzuhalten. Für Albradio arbeitet er ehrenamtlich neben einem Vollzeitpensum; wenige Minuten vor Sendungsbeginn kam er erst im Studio an. «Es ist durchaus anstrengend, diese Sendung nach einem vollen Arbeitstag zu moderieren», sagt Astro. «Aber es macht Spass, und für meinen Kopf ist es eigentlich ziemlich entspannend.»
Noch verdient niemand bei Albradio Geld. Man befindet sich in der Aufbauphase, bloss neun Leute sind derzeit am Projekt beteiligt. «Natürlich wollen wir uns in der ganzen Schweiz einen Namen machen, mehr moderierte Formate lancieren und Mitarbeitende festanstellen», sagt Bujar Bunjaku, der sich beim Sender ums Geschäftliche kümmert. «Aber das soll sukzessive und in einem gesunden Tempo passieren.»
Albradio wolle «zur Integration, Information und Stärkung der in der Schweiz lebhaften albanischen Community» beitragen, erklärt Bunjaku. So wird ausschliesslich auf Albanisch gesendet, aber die Themen und Inhalte betreffen ganz spezifisch die Schweiz. Expert:innen und Fachleute aus allen möglichen Bereichen sollen zu Wort kommen, um einfache und kompliziertere Fragen aus dem Alltag der Community zu beantworten: Anwälte, Ärztinnen, Politiker – Sportler, Musiker, Geschäftsleute, Gastronominnen. «Klischiert gesagt: Auf unserem Sender erfahren die Leute, ob man in der Schweiz mit Skischuhen Auto fahren darf», sagt Bunjaku.
Auch er wäre froh, wenn die UKW-Infrastruktur in der Schweiz abgeschaltet würde. «Dann wären endlich alle gleichberechtigt», sagt er, niemand hätte mehr einen unfairen Reichweiten- und Werbemarktvorteil. Albradio profitiere jedoch von einem gewissen Alleinstellungsmerkmal, in der Community gebe es viel Unterstützung. «Das hat uns schon auf der Suche nach Investoren geholfen», sagt der etwas ältere Premtim Sermaxhaj, «und nun hilft es uns auch dabei, Werbekunden zu finden.»
Sermaxhaj war es, der die Idee für Albradio schon vor längerer Zeit hatte. Während der Pandemie habe er entschieden, sie umzusetzen. «Um ein Radio aufzubauen, brauchst du vor allem drei Dinge», sagt der Mitgründer, «erstens etwas Geld, zweitens viel Mut und drittens ein gutes Team.»
Hier im Radiostudio, das in einer unscheinbaren Gewerbezone im aargauischen Neuenhof liegt, fällt sofort auf, dass kräftig investiert wurde. Warum ausgerechnet in einen Radiosender? «Das Radio kann unsere Community verbinden», sagt Bunjaku. «Radio kennt nämlich jeder», ergänzt Sermaxhaj, «und es ist überall einfach da.»