Schaffhausen: TapTab-Musikraum: Sie suchten einen Raum – und fanden einen Abfallkeller

Nr. 42 –

Vom 24. bis zum 27. Oktober feiert der Schaffhauser «TapTab» fünfzehn Jahre Kultur auf dem Kammgarn-Areal. Die Geschichte des Musiklokals reicht aber bis in die achtziger Jahre zurück.

Schaffhausen: TapTab-Musikraum Foto: Andreas Bodmer

Wann und wie die Geschichte anfing, ist schwer auszumachen. Irgendwann Anfang der achtziger Jahre begannen sich junge Menschen «in der kleinen Stadt mit den bürgerlichen Wänden» (Liedermacher Dieter Wiesmann) für Punk zu interessieren. Und während Züri brannte, formierte sich im beschaulichen Schaffhausen um ein paar Dorfpunks eine Band, die später als Der Böse Bub Eugen nationale Berühmtheit erlangen sollte. Es gab Punkkonzerte, die ausserhalb der Szene allerdings kaum Aufsehen erregten.

Irgendwann nisteten sich dann einige Bands in den Kellern der alten Kammgarnspinnerei ein, und bald wurde in den Probelokalen auch vor Publikum musiziert. Ab 1984 veranstalteten Jugendliche unter dem Label «Beat Club» Konzerte in den Bandräumen sowie im Keller der 1978 gegründeten Fassbeiz-Genossenschaft.

Dann, im Spätsommer 1985, fand in den Hallen der Kammgarn unter dem Titel «Herbströcheln» erstmals eine Veranstaltungsreihe mit Lesungen, Kunst und Konzerten statt – unglücklicherweise wurde sie gegen Ende von einer Horde Naziskins gestürmt. Doch die Schaffhauser Subkultur wucherte weiter. Während die einen nach dem «Herbströcheln» weiterhin Bands gründeten, veranstalteten die «Beat Club»-Leute Konzerte in Kellern. Einen eigenen Ort für Veranstaltungen hatten sie nach wie vor nicht, und sie sollten sich auch noch eine ganze Weile darum bemühen müssen. Die Raumsuche prägte die lange Geschichte, die endlich zum «TapTab-Musikraum» führen sollte.

Aufbruchsstimmung am Rhein

Auf sieben Quadratmetern richteten die AktivistInnen 1988 ein «Kulturzentrum» ein, das zunächst vor allem als Plattenladen genutzt wurde. Es trug in Anlehnung an «Tabula», den Übernamen eines umtriebigen Fassbeiz-Mitarbeiters und Konzertveranstalters, den Namen «TapTab». Ein Jahr später zügelte der Plattenladen in etwas grosszügigere Räumlichkeiten, der «TapTab»-Musikverein wurde gegründet und wuchs.

Es geht das Gerücht, dass der Laden vor allem mit Konzerten der englischen Band And All Because the Lady Loves querfinanziert worden sei. Doch weiterhin existierte kein eigener Raum für Konzerte, dafür das handkopierte Fanzine «TapBlatt». Ab dem Fünfjahrjubiläum war ein zeitweise bis zu dreissigköpfiger Hauschor aktiv: der Tap-Chor. Gemäss einer Legende wurde er nach den Erzählungen eines Freaks auf Drogen gegründet, der im Rausch und singend als Einziger ein Bootsunglück auf dem Rhein überlebt haben soll.

Ein Raum für Experimente

1992, noch vor dem Fünfjahrjubiläum, veranstalteten das «TapTab»-Kollektiv und Leute von «KiK – Kultur in der Kammgarn» im alten und dem Abriss geweihten Kino Rüden ein halbes Jahr lang Konzerte. Da spielten Bands wie Jolly & the Flytrap oder Starfish, eine Gruppe mit Schaffhauser Beteiligung. Damals muss es zu einem Eklat gekommen sein, weil Markus Bührer alias Seelenlos, der schon das «Herbströcheln» mitorganisiert hatte, die Zürcher Squats aufmischte und die Produktion des Bullensplatterfilms «Blutgeil» mitverantworten sollte, ein Plakat ins Fenster des «TapTab»-Provisoriums hängte: «Ich würde deine Leiche ficken, wenn sie lächelt.» Das trug ihm ein gut dokumentiertes Telefonat mit der Schaffhauser Polizei ein. Doch es sollten weitere fünf Jahre ins Land gehen, bis der «TapTab»-Musikraum an der Baumgartenstrasse endlich seine Türen öffnen konnte.

Die Schaffhauser Stimmbevölkerung verwarf 1994 knapp einen Kredit, der den Ausbau des noch immer brachliegenden Kammgarn-Areals zum Kulturzentrum ermöglichen sollte. Die KiK-Leute beschlossen darauf, die Sache selbst zu stemmen. Die «TapTab»-AktivistInnen taten es ihnen gleich. Sie kratzten mithilfe von Gönnern und Sponsorinnen 100 000 Franken zusammen und begannen, im ehemaligen Abfallkeller der Kammgarn Konzerte zu organisieren. Fast zehn Jahre nach der Vereinsgründung hatte der «TapTab»-Musikverein einen eigenen Raum für junge Kultur gefunden: einen Raum für Neues, für Alternatives und für Experimente.

Der «TapTab»-Musikraum öffnete seine Türen am 19. September 1997. Ende Oktober feiert man nun das Fünfzehnjahrjubiläum. Bis heute gilt: Wer will, kann dem Verein beitreten und mitorganisieren, was ihm oder ihr gefällt. Rund dreissig KonzertveranstalterInnen zählt der Verein gegenwärtig. Die TechnikerInnen, das Putzteam, Kassen-, Bar- und Garderobenpersonal sind ebenfalls Vereinsmitglieder. Und weil bei so vielen Aktiven längst nicht alles über die Vereinsstatuten geregelt werden kann, hat sich der «TapTab» eine Verfassung gegeben.

Die Veranstaltungen im «TapTab»-Musikraum sollten nach Möglichkeit selbsttragend sein. Weniger gut besuchte Konzerte werden aus den Einnahmen der Partys querfinanziert, die ein grosses Publikum ansprechen. Eine Leistungsvereinbarung mit dem Kanton, die 2010 von 13 000 auf 30 000 Franken pro Jahr erhöht wurde, garantiert, dass der Betrieb auch bei einer defizitären Veranstaltung gesichert ist. Was an Geld übrig bleibt, wird laufend für Erneuerungen der Infrastruktur eingesetzt.

Nicht jede Party ist Subkultur

Nachdem noch in den achtziger und neunziger Jahren Raum für Alternativkultur kaum vorhanden war, ist Schaffhausen heute als Kulturstadt lebendiger denn je. Nach der Jahrtausendwende erwachte der lange schlummernde Jugendkeller wieder zum Leben. Wenig später öffneten mit der Schäferei und dem Cardinal weitere Lokale, die sich der Alternativkultur verschrieben haben.

Das hat auch das Programm im «TapTab»-Musikraum verändert. Längst nicht jede Party ist Teil der Subkultur. Muss sie auch nicht sein. Veranstaltet wird, was den Aktiven gefällt, Raum für Experimente bleibt allemal. Der Ruf des Wilden und Verruchten hängt dem «TapTab» mancherorts bis heute an. Aber jeweils im Mai, wenn der Club dem Schaffhauser Jazzfestival als Nebenbühne dient, stehen Kerzen und Vasen mit üppigen Blumensträussen herum – damit sich auch die gesetzteren Semester ins «TapTab» trauen.

www.taptab.ch / www.kammgarn.ch