Kultour

Nr. 2 –

Festival

Norient in New Orleans

Das vierte Musikfilmfestival Norient präsentiert neben Filmen aus Bulgarien, Norwegen, Simbabwe, Ägypten, Israel und Äthiopien auch Konzerte und DJ-Sets. «Children of the Bible» (2009) von Nitza Gonen berichtet aus dem Leben von äthiopischen JüdInnen in Israel, und Peter Kraut führt durch die Geschichte des Videoclips.
Der Schwerpunkt des Festivals liegt mit dem Auftritt der Queer-Rap-Queen Big Freedia auf New Orleans. Das ist aber nicht alles, Trash und Kitsch gehören genauso dazu wie die kreolische Küche von Miz Mockingbird. Der Regisseur Aaron Walker blickt in «Bury the Hatchet» (2010) hinter die Kulissen der afroamerikanischen Tradition. In «Liquid Land» (2012) von Michelle Ettlin erfährt man einiges über die experimentelle Musikszene der Stadt im Mississippidelta. Die ProtagonistInnen des Films, darunter der Spoken-Word-Artist Moose Jackson und der aus Zug stammende Schlagzeuger Simon Berz, sind anschliessend im Konzert zu hören.

Norient Musikfilm Festival in: Bern Reitschule Kino und Rössli Bar, Club Bonsoir und Turnhalle Progr, Do–So, 10.–13. Januar 2013. www.norient.com

Fredi Bosshard

Suisse Diagonales Jazz

Seit 2003 finden alle zwei Jahre Jazzkonzerte unter dem Label Suisse Diagonales Jazz statt. Sie verknüpfen die Regionen und verstärken den Austausch zwischen ihnen. Eingebunden sind das Haberhaus in Schaffhausen, der Jazzclub Uster genauso wie das Café du Soleil in Saignelégier, La Ferme Asile in Sion oder Jazz in Bess Lugano.

In der aktuellen Ausgabe von Suisse Diagonales Jazz sind zehn Formationen unterwegs. Für die Eröffnung in Luzern schrammen die OrganisatorInnen allerdings ziemlich an der Grundidee vorbei und bringen gestandene Grössen wie Pierre Favre und Lucas Niggli, Nik Bärtschs Ronin und das Colin Vallon Trio auf die Bühne im «Südpol».

In den folgenden Konzerten gibt es dann allerdings Entdeckungen zu machen, wenn das Pianotrio Mûr und das Bieler Quartett Breakfast on a Battlefield zwischen analog und digital unterwegs sind oder Psychorock auf Noise trifft. Hinter dem Bandnamen Holunderblüten verbergen sich Noémie Cotton (Akkordeon), Ganesh Geymeier (Tenorsaxofon) und Fred Bürki (Schlagzeug). In ungewöhnlicher Instrumentierung und mit Eigenkompositionen erschaffen sie ein eigenständiges Klanguniversum. Ähnliches gilt für die Harmonie Greber um die Sängerin Claudia Greber oder für das Bündner Trio Solem.

Suisse Diagonales Jazz in: 24 Städte mit gegen 100 Konzerten in allen Landesteilen. Sa, 12. Januar, bis So, 17. Februar 2013. www.diagonales.ch

Fredi Bosshard

Alone Together

Die Pianistin Margaret Leng Tan hat sich in den vergangenen Jahren, nicht zuletzt angeregt durch John Cage, zur wohl versiertesten Interpretin auf dem Toy Piano entwickelt (siehe WOZ Nr. 35/12 ). In Basel eröffnet sie die Solokonzertreihe «Alone Together», die an sieben Abenden im «Gare du Nord» stattfindet. Die kleinstmögliche Konzertform bricht sie mit Filmen auf, zu denen Cage die Musik geschrieben hat.

An zwei «Solo-Herren-Abenden» bewegen sich der Violinist Egidius Streiff und der Pianist Kirill Zwegintsow zwischen «phantastischer» Musik und «Phantastereien» entlang den Werken von Paul Hindemith, Claude Debussy, Eugène Ysaÿe, Eugène Chausson und Arnold Schönberg. Aleksander Gabrys (Kontrabass), Friedemann A. Treiber (Violine) und Wiktor Kociuban (Cello) nähern sich mehr der Gegenwart an und interpretieren Kompositionen von Iannis Xenakis, Hans Werner Henze und Thomas Kessler (siehe WOZ Nr. 45/12 ). Die StudentInnen der Klassen für Schlagzeug und Saxofon der Hochschule machen weiter und präsentieren Solowerke von Georges Aperghis, Karlheinz Stockhausen und Nicolaus A. Huber.

Anne-May Krüger (Mezzosopran) wagt sich an das fünfzig Minuten dauernde Stück «The Medium» von Sir Peter Maxwell Davies, das sich mit dem Phänomen Wahnsinn auseinandersetzt. Robert Koller (Bariton) interpretiert Beat Furrers «Stimme allein», das sich auf zehn Zeilen aus «Leonce und Lena» von Georg Büchner bezieht.

Alone Together in: Basel Gare du Nord, 
Fr, 11. Januar 2013, 20 Uhr, Margaret Leng Tan. 
Weitere Konzerte: 12./14./16./17./20. und 
26. Januar 2013, 20 Uhr. www.garedunord.ch

Fredi Bosshard

Film

Polnische Filme

Er gehört zu den besten Schweizer Filmen: «Tout un hiver sans feu» (2004) von Greg Zglinski. Das Drama um ein Bauernehepaar, das bei einem Brand seine kleine Tochter verliert, hat sowohl internationale wie nationale Preise gewonnen. Nun kehrt der aus Polen stammende und in der Schweiz aufgewachsene Zglinski mit einem neuen Film, «Wymyk» («Courage»), in die Schweiz zurück. Wie schon in seinem letzten Film geht es auch in diesem Werk um Schuldzuweisung und Schuldgefühle. Im Zentrum stehen zwei Brüder, Jurek und Alfred, die eines Tages Zeugen davon werden, wie eine Gruppe von Hooligans eine junge Frau bedrängt. Jurek will helfen, Alfred erstarrt vor Angst und sieht zu, wie sein Bruder angegriffen wird. Während Jurek im Spital um sein Leben kämpft, behauptet Alfred, dass er seinem Bruder nicht helfen konnte, da er bewusstlos geschlagen worden sei. Doch ein Handyvideo, das auf dem Netz auftaucht, bringt die Wahrheit ans Licht.

Obwohl «Wymyk» letztes Jahr an den Solothurner Filmtagen in höchsten Tönen gelobt wurde, fand er keinen Verleih. Umso schöner, dass Cinélibre, der Verband Schweizer Filmklubs und nicht gewinnorientierter Kinos, das starke Werk nun in die Studiokinos bringt – in Anwesenheit des Regisseurs. In der Filmreihe «Kino Polska» sind vier weitere Schweizer Premieren von neuen polnischen Filmen zu sehen, so «33 sceny z zycia» («33 Szenen aus dem Leben») von Malgorzata Szumowska, «Galerianki» («Die Girls vom Shopping Center») von Katarzyna Roslaniec, «Lekcje pana kuki» («Herrn Kukas Empfehlungen») von Dariusz Gajewski und «Rysa» («Der Kratzer») von Michal Rosa.

Kino Polska in: Basel Neues Kino, bis Fr, 1. Februar 2013; Balzers Schlosskino, ab Mi, 16. Januar 2013; Bern Kino Cinématte, Mo, 14. Januar, bis Mitte Februar 2013; Luzern Stattkino, Mi, 16. Januar, bis Mi, 6. Februar 2013; 
St. Gallen Kinok, bis Do, 31. Januar 2013; Schaan 
Takino, ab Mi, 16. Januar; Zürich Filmpodium, 
bis Di, 15. Januar 2013. Weitere Daten und Orte: 
www.kino-polska.ch

Silvia Süess

Theater

Hanns-Eisler-Abend

Die Nazis vertrieben ihn 1933 als kommunistischen Juden ins US-amerikanische Exil; die US-Regierung wiederum wies ihn 1947 (als eines der ersten Opfer der antikommunistischen McCarthy-Ära) als «Karl Marx der Musik» aus – und auch in der DDR, wo Hanns Eisler (1898–1962) ab 1949 bis zu seinem Tod lebte, wurde er nicht nur geschätzt (wenngleich er die DDR-Hymne komponierte): Die Behörden unterstellten ihm einen nicht sozialismuskonformen Hang zum «Formalismus».

In seinem Gang durch die Kämpfe des 20. Jahrhunderts landete Hanns Eisler Mal für Mal zwischen Stuhl und Bank. Und doch hat er wie nur wenige KomponistInnen des «Jahrhunderts der Extreme» (Eric Hobsbawm) die Musikgeschichte vorangetrieben. Als Zwölftonkomponist der ersten Stunde ebenso wie als kongenialer Vertoner von Brecht-Texten und -Stücken – Eisler brachte es zustande, hochintellektuelle E-Musik mit eingängiger Unterhaltung zu verbinden. Neben Klavier-, Orchester- und kammermusikalischen Werken, Bühnen- und Filmmusiken hinterliess er über 500 Lieder, die vom Arbeiterlied bis zum zwöftonmusikalischen Kunstlied reichen.

Kürzlich sind erstmals Briefe von Eisler veröffentlicht worden, die ihn als ebenso politischen wie lebenslustigen und weltoffenen Menschen zeigen – nicht zuletzt in seinen Beziehungen zu Frauen. Der von der Internationalen Hanns-Eisler-Gesellschaft veranstaltete musikszenische Abend «Von Hollywood nach Pankow» verknüpft Material aus Eislers Briefen mit Liedern, die er geschrieben hat. Es spielen, singen und sprechen Graziella Rossi, Anna von Schrottenberg und Helmut Vogel, begleitet von Heinrich Mätzener (Klarinette) und Christoph Keller (Klavier).

«Von Hollywood nach Pankow» in: Zürich Cabaret Voltaire, Fr, 11. Januar 2013, 20 Uhr, Premiere. Do/Fr, 17./18., und 24./25. Januar 2013, 20 Uhr, So, 20. und 
27. Januar 2013, 18 Uhr. www.cabaretvoltaire.ch

Adrian Riklin