3-D-Drucker: Die Fabrik auf dem Schreibtisch

Nr. 14 –

Läuten 3-D-Drucker die nächste industrielle Revolution ein? Können sie alte Industrieregionen wiederbeleben? Ein Blick in die Vorstellungswelt der Digital Creatives.

Quietschbunte Kleinwagen aus billigem Plastik? Mit Elektromotor? Die Manager der grossen Autohersteller waren angewidert, als vor zwanzig Jahren Nicolas Hayek mit dieser Idee daherkam. Wenn Hayek nicht als Retter der Schweizer Uhrenindustrie bekannt gewesen wäre, hätten sie ihn gar nicht erst angehört. Sie beharrten darauf, dass niemand umweltfreundliche Fahrzeuge für nur 9000 Franken brauche. Es müsse ihnen auch niemand erzählen, wie man Autos baut. Der Daimler-Konzern griff zwar das Konzept auf, aber im Smart ist das ursprünglich geplante Swatch-Mobil nicht mehr wiederzuerkennen. Hayek, immerhin ein gestandener Unternehmer, gab auf.

Heute könnte diese Geschichte anders ausgehen. Vielleicht so: Eine junge Frau mag den Altmännergeschmack der Autoindustrie nicht. Zu Hause entwirft sie mit Gratis-3-D-Software, etwa Google Sketch Up oder Autodesk 123-D, ein eigenes Vehikel. Die Datei bringt sie auf einem USB-Stick zu einem Fab Lab, einer öffentlichen Hightechwerkstatt, und druckt dort die Teile für einen Prototyp aus. Damit macht sie ein YouTube-Video und stellt ihre Idee auf einer Crowdfundingseite vor, etwa Wemakeit oder Indiegogo.

Begeisterung bei Schulmädchen von China bis Island: Die durchsichtige Karosserie ist ein Hit – es hagelt Vorbestellungen. Über Internetseiten wie mfg.com oder alibaba.com werden Lieferanten und Monteure gefunden für Türen, Räder und Scheibenwischer. Der Verkauf könnte über eBay oder Amazon laufen. Vielleicht hat die Tüftlerin aber auch gar keine Lust, Kapitalistin zu werden: Sie könnte ihren Entwurf bei thingiverse.com veröffentlichen, einfach so, zum Gratisdownload für alle.

Viel mehr als ein Drucker

Als das Fraunhofer-Institut für Lasertechnik in Aachen 1996 erste Patente für «Selektives Laserschmelzen» anmeldete, konnte sich kaum jemand viel darunter vorstellen. Flugzeugteile oder Zahnkronen aus hauchdünnen Schichten zusammensetzen? Die Aussicht auf «Rapid Prototyping» oder neue «Verfahren zur additiven Fertigung» begeisterten allenfalls SpezialistInnen.

Was bedeutet es, wenn mit 3-D-Druckern Atome bald genauso einfach bewegt werden können wie Bits? Manche sprechen bereits von einer weiteren digital gesteuerten Revolution: Computer, Desktopdrucker und Internet hatten zunächst «nur» Verlage, die Musik- und Filmbranche sowie Dienstleister wie Banken, Reisebüros und Steuerämter umgekrempelt – jetzt kommt die Industrie dran.

Um akzeptiert zu werden, brauchten Innovationen eine «definierende Metapher», sagt Federico Gobbo, Computerphilosoph an der Universität Aquila: «Neue Technologien müssen sich als althergebrachte maskieren, damit die Menschen keine Angst vor der Neuheit haben, weil sie bereits wissen, wie sie praktisch zu nutzen ist.» Beispielsweise wurden die ersten Autos als «pferdelose Kutschen» gestaltet. Ein aktuelles Beispiel ist das Smartphone: Eine Universalmaschine, die locker ein Dutzend anderer Geräte ersetzt, wird als knuffig-harmloses Taschentelefon verkauft.

3-D-Druck steht für die gesamte digitale Fertigung. «Der ans Internet angeschlossene 3-D-Drucker ist die Ikone der neuen industriellen Revolution», erläutert Peter Troxler vom Fab Lab Zürich, «so wie die Dampfmaschine die Ikone der ersten, das Fliessband die Ikone der zweiten industriellen Revolution war.» Fab Labs, wörtlich Fabrikationslabore, gibt es weltweit bereits über 150. Das Zürcher Fab Lab bezeichnet sich als Schmelztiegel für Kreative, die ihre Ideen mit digitalen Fertigungsverfahren verwirklichen möchten und im Fab Lab Raum, Maschinen und Unterstützung finden.

Produktionsprozess demokratisieren

Was ist daran revolutionär? Die Kombination von digitalem Entwerfen, Fertigen und Verteilen, meint der britische Autor Jack Roberts: «Es tauchen Unternehmungen auf, die ohne Lager auskommen, sofortigen Profit abwerfen, ökonomisch ohne Risiko sind und hochqualitative Güter zu niedrigen Kosten herstellen können, sogar bei geringen Stückzahlen. So etwas hat es noch nie gegeben.» So wie das Internet die Zugangshürden im Kommunikationsbereich radikal gesenkt und Monopole gebrochen habe, so werde nun 3-D-Druck die Herstellung «demokratisieren».

«Sobald etwas auf einem normalen Computer ausführbar ist, kann es jeder», sagt auch Chris Anderson, ehemaliger Chef des Magazins «Wired», in seinem neuen Buch «Makers. Das Internet der Dinge: die nächste industrielle Revolution» (2012). «Die Produktion grosser Stückzahlen erfordert Fachwissen, Ausrüstung und Kapital und blieb daher die Domäne der grossen Unternehmen und ausgebildeten Spezialisten. Das wird sich in Kürze ändern.»

Auch in Zukunft, so Anderson, werde es Massenfertigung geben, werde nicht jeder alles selbst machen: Eine Spritzgussform ist teuer, kann dann aber Millionen Petflaschen auswerfen. Bei 3-D-Druck gibt es dagegen keine Stückkostendegression: Wie im Handwerk kostet jedes Stück gleich viel. Oder gleich wenig. Das ermöglicht Sonderanfertigungen, Kleinserien, individualisierte Produkte. Besonders in den USA gibt es Hoffnungen, 3-D-Druck könnte alte Industrieregionen wiederbeleben – so wie die Automatisierung die Schweizer Uhrenindustrie gerettet hat. Als im vergangenen Sommer in Ohio das National Additive Manufacturing Innovation Institute eröffnet wurde, schwärmte Präsident Barack Obama: «Das wird helfen, dass die Produktionsjobs der Zukunft nicht in China oder Indien, sondern in den USA entstehen.» Die chinesische Regierung wiederum stellte im Dezember fest, China habe derzeit «nur 8,6 Prozent der weltweit installierten 3-D-Drucker im Vergleich zu 38,5 Prozent in den USA». Das werde man durch Forschung und Steuererleichterungen ändern.

Derweil sind 3-D-Drucker für Privatleute preislich ungefähr auf dem Stand, auf dem PCs um 1985 waren. Im Jahr 2006 waren Einstiegsmodelle erst ab rund 20 000 Franken zu haben; heute kosten einfache Bausätze für BastlerInnen schon weniger als 900 Franken. Wens in den Fingern juckt: Das nächste Guerillaseminar zum Thema «3-D-Drucken» findet am 20. April bei der Zürcher Firma 3D-Model.ch statt.

3-D-Design

Im Zürcher Museum für Gestaltung läuft noch bis 5. Mai die Ausstellung «3-D – Dreidimensionale Dinge drucken». Sie bietet Einblick in verschiedene Anwendungsbereiche des 3-D-Druckens – von der hoch spezialisierten Medizinaltechnik bis zur Designspielerei, einem Couchtisch etwa, der eine materialisierte mathematische Formel, ein Fraktal, ist. Digitale Produktionstechnik, so viel wird klar, bedeutet eine doppelte Individualisierung: einerseits die individuelle Anpassung, wie im Fall medizinischer Implantate und Prothesen, andererseits das nach eigenen Ideen designte Unikat. Ob 3-D-Drucken aus der Nische herausfindet und die Produktion revolutionieren wird, hängt nicht zuletzt davon ab, überhaupt zum Druck geeignete Materialien zu finden.

www.museum-gestaltung.ch