Urteil zum Lehrstuhlsponsoring der UBS: Zur Transparenz gezwungen
Die UBS zahlt der Universität Zürich hundert Millionen Franken. Was genau vereinbart wurde, wollte die Uni geheim halten. Nun muss sie den Vertrag offenlegen.
Zuletzt war der Ton der Universität regelrecht flehend. Müsse sie ihren Vertrag mit der UBS offenlegen, schädige das «berechtigte Interessen irreparabel», ihre Verhandlungsposition beim Einwerben privater Gelder würde «erheblich geschwächt», somit sei das Interesse der Uni an Geheimhaltung «äusserst gross».
Am 19. April 2012 haben die Universität Zürich und die UBS ein Sponsoring im grossen Stil angekündigt: Die UBS zahlt hundert Millionen Franken. Mit dem Geld errichtet die Universität das UBS International Center of Economics in Society mit fünf Lehrstühlen. Die akademische Freiheit, hiess es an der Medienkonferenz, sei vertraglich garantiert.
Zeigen wollte die Uni den Vertrag nicht – als «Geheimvertrag» wollte sie ihn aber auch nicht bezeichnet sehen (siehe WOZ Nr. 20/12 ). Ein Akteneinsichtsgesuch, gestützt auf das kantonale Informations- und Datenschutzgesetz (IDG, vgl. «Das Öffentlichkeitsprinzip» im Anschluss an diesen Text), lehnte die Schulleitung ab. Dagegen habe ich – sowie unabhängig von mir «Zeit»-Redaktor Matthias Daum – rekurriert.
Krasses Beispiel aus Deutschland
Warum sollten Verträge öffentlicher Hochschulen mit privaten Sponsoren öffentlich sein? In den vergangenen Jahren wurden aus verschiedenen Ländern Fälle von Sponsoring bekannt, die die akademische Freiheit verletzten. So machte die deutsche «Tageszeitung» 2011 einen Geheimvertrag zweier Berliner Unis (HU und TU) mit der Deutschen Bank publik, der der Bank weitgehende Mitsprache bei der Publikation der Forschungsresultate gewährte – ein krasser Eingriff in die akademische Freiheit. Dass die Uni Zürich mit der UBS einen ähnlich problematischen Vertrag abgeschlossen habe, habe ich nie vermutet. Überprüfen konnte ich es aber nicht.
Die Universität legte im Verlauf des Verfahrens ein paar Vertragspassagen vor, die die akademische Freiheit garantieren. Sie brauchte dazu das Plazet der UBS Foundation, denn selbst die Passagen zur Sicherung der akademischen Freiheit unterliegen einer Geheimhaltungsklausel. Die Passagen sind sauber – unter anderem steht darin, dass die UBS sich nicht an der Auswahl der ProfessorInnen beteiligt. Ob indes der restliche Vertrag den Erfordernissen der akademischen Freiheit genügt, blieb offen. Der Direktor des UBS Center, Professor Ernst Fehr, konterte jüngst im Interview mit der «Zeit» den Vorwurf der Intransparenz mit dem Hinweis, dass die entscheidenden Vertragspassagen ja öffentlich seien. Was er nicht sagte: Öffentlich sind sie bisher einzig auf meiner Website; die Uni hat gar nichts veröffentlicht.
UBS war für Offenlegung
Gegen die Offenlegung brachte die Uni zwei Argumente vor: Müsste sie ihre Verträge offenlegen, würde das die Suche nach privaten Geldgebern künftig erschweren. Und: Der Vertrag enthalte Geschäftsgeheimnisse der UBS.
Die Angst, künftig keine Sponsoren mehr zu finden, zählt nicht zu den Gründen, die laut Gesetz eine Geheimhaltung rechtfertigen. Die Angst dürfte auch übertrieben sein: In Deutschland empfiehlt der Verband der Lehrstuhlstifter seinen Mitgliedern explizit, Verträge zu veröffentlichen. Auf die wenigen Sponsoren, die nur unter der Bedingung der Geheimniskrämerei bereit sind, ihr Geld zu geben, müsste die Uni verzichten können. Kann sie das nicht, ist das kein gutes Zeichen für ihre Unabhängigkeit.
Geschäftsgeheimnisse der UBS enthält der Vertrag schon deshalb keine, weil die UBS gar nicht Vertragspartnerin ist: Vertragspartnerin ist eine von der UBS geschaffene Stiftung. Was für Geheimhaltungsinteressen eine Stiftung haben sollte, die allein dem Zweck dient, öffentliche Wissenschaft zu fördern, ist schleierhaft.
Die UBS Foundation hat zwar in einem Brief erklärt, sie teile die Ansicht, dass Interessen der Uni gegen eine Offenlegung des Vertrags sprächen. Von einem eigenen Geheimhaltungsinteresse spricht der Brief aber nur sehr gewunden – wie es scheint, aus purer Loyalität. Laut gut informierten Quellen empfahl die UBS der Uni, den Vertrag offenzulegen.
Eingeschwärzte Vertragskopie
Im Verfahren holte die Rekurskommission eine Stellungnahme der Koordinationsstelle IDG der Zürcher Staatskanzlei ein. Nachdem die Koordinationsstelle die Argumente der Uni zerpflückt hatte, legte diese der Rekurskommission eine teilweise eingeschwärzte Vertragskopie vor. Die Rekurskommission konnte darin nichts finden, was gegen eine Offenlegung spricht. Mit einem Zwischenentscheid hat sie nun die Universität angewiesen, uns Rekurrenten den eingeschwärzten Vertrag auszuhändigen. Ob auch die eingeschwärzten Passagen noch offenzulegen seien, war nicht Gegenstand des Entscheids.
Was bringt der Entscheid? Der Vertrag selber ist langweilig: Das war, unjuristisch kurz gesagt, der Grund, weshalb die Rekurskommission darin nichts fand, was eine Geheimhaltung rechtfertigt. Doch der Entscheid schafft einen Präzedenzfall – und das war es ja, was die Universitätsleitung abwehren wollte. Das heisst nicht, dass die Universität nun jeden Vertrag offenlegen muss (sie darf natürlich!). Aber sie muss damit rechnen, auch bei künftigen Akteneinsichtsgesuchen nachgeben zu müssen. Weil das kantonale IDG rückwirkend gilt, sind davon potenziell alle bisherigen Lehrstuhl-Sponsoringverträge betroffen – also beispielsweise die Lehrstühle des von den Schweizer Banken getragenen Swiss Finance Institute, die Hans-Vontobel-Professur für Financial Engineering und gut zwei Dutzend weitere Stiftungsprofessuren. Dasselbe gilt für die Zürcher Fachhochschule ZHAW oder die Pädagogische Hochschule Zürich. Der Entscheid dürfte zudem Signalwirkung über den Kanton hinaus haben: Erstmals in der Schweiz ist das Öffentlichkeitsprinzip auf ein Hochschulsponsoring angewandt worden. Gegen die beiden ETHs läuft ein ähnliches Verfahren unter dem Bundesgesetz über das Öffentlichkeitsprinzip.
Debatte über Finanzierung
Das UBS International Center of Economics in Society ist ein besonderer Fall von Hochschulsponsoring in der Schweiz: erstens wegen des hohen Betrags, zweitens, weil die UBS derzeit nicht gerade als Hort der Rechtschaffenheit gilt. Der Deal der Uni hat denn auch Kritik ausgelöst – und endlich so etwas wie eine Debatte darüber, wer Wissenschaft finanzieren soll. Die Akademien der Wissenschaften Schweiz veranstalteten im November 2012 einen Workshop in kleiner Runde zum Lehrstuhlsponsoring; sie werden voraussichtlich im Juni eine Arbeitsgruppe einsetzen, die Richtlinien ausarbeiten soll. Im Zürcher Kantonsrat ist eine parlamentarische Initiative von Moritz Spillmann (SP) hängig, die fordert, Sponsoringverträge der Uni hätten öffentlich zu sein. Und vergangenen Februar lancierten 27 Personen, mehrheitlich UniversitätsprofessorInnen, den «Zürcher Appell», in dem sie die Zusammenarbeit der Uni Zürich mit der UBS kritisieren. Als Reaktion darauf meldeten sich auch Fürsprecher des privaten Sponsorings zu Wort. In einem aber waren sich KritikerInnen und die Kritiker der KritikerInnen einig: Wenn Sponsoring legitim sein soll, dann muss es transparent geschehen.
Zur Transparenz hat sich die Universität Zürich nun zwingen lassen.
Siehe dazu auch das Interview mit dem Rektor .
Das Öffentlichkeitsprinzip
In den letzten Jahren haben der Bund und die meisten Kantone Informationsgesetze erlassen, die das Öffentlichkeitsprinzip festlegen. Das Prinzip besagt, dass Informationen der Verwaltung und staatlicher Betriebe öffentlich sind; Ausnahmen regelt das Gesetz. Nicht wer ein öffentliches Dokument einsehen will, muss dies begründen; begründen muss eine Amtsstelle, wenn sie eine Information geheim halten will.
Von den Universitätskantonen kennt einzig Luzern das Öffentlichkeitsprinzip nicht; St. Gallen hat das Prinzip zwar in seiner Verfassung verankert, bisher aber noch kein Gesetz erlassen.