Gripen: Die Piloten und die Abverreckten
Der beste Beitrag zum Gripen kommt kurz vor der Abstimmung: Margrit Sprecher entwirft ein Psychogramm der Kampffliegerei.
Bestimmt eine schöne Marktlücke, so ein Buch über die Piloten, kurz vor der Abstimmung über die Beschaffung von 22 neuen Kampfflugzeugen. Dazu der harmonische Titel «Unsere Kampf-Piloten». Als hätte diese Armee je uns alle verteidigt und nicht immer zuerst gegen den Feind im Innern geschossen. So weit einige Gedanken an einem müden Sonntagabend, vor der Lektüre von Margrit Sprechers Reportage über einen Ausbildungsgang von Kampfpiloten der Schweizer Armee.
Am Anfang spaziert die Reporterin darin über den Militärflugplatz Alpnach und schlägt ihren bekannten, vordergründig harmlosen Erzählton an. Bald aber zeigt sich, dass die besten Mittel im Journalismus nach wie vor Zeit und ein scharfer Blick sind: Die Reportage, erschienen im Echtzeit-Verlag, wächst sich zum erhellenden Debattenbeitrag über die Kampfjet-Abstimmung aus.
Weil es gerade nicht um die Typenwahl geht, die Bedrohungsszenarien oder die Milliardenkosten. Und auch nicht um den schwedischen Botschafter (obwohl dessen Lobbying durchaus vorkommt, als er den SVP-Nationalrat und Berufspiloten Thomas Hurter als «unseren alten Freund Hurter» bezeichnet). Nein, indem die Reporterin das Milieu der Piloten genau beschreibt, erklärt sie vielmehr die Psychologie hinter der Kampffliegerei. Und die wirkt erschreckend.
Abgehobener Männerbund
600 Männer und einige Frauen erfüllen alljährlich die Aufnahmebedingungen für die Militärpilotenschule. Doch nur zwölf werden am Schluss ausgewählt; immer enger wird das Raster der Anforderungen. Keine Haudegen werden gesucht, sondern fitte, schnelle, smarte Typen. Wie die Auserwählten das Ausscheiden ihrer KollegInnen schildern, erzählt schon viel über den elitären Geist der Luftwaffe: Aus den PAS, den Pilotenanwärtern, werden APS, abverreckte Piloten. «Keine Ahnung, was die jetzt machen», sagt der erfolgreiche Georg (alle Namen von Schülern und Ausbildnern wurden im Buch geändert). «Für Verlierer haben die Pilotenschüler weder Zeit noch Sinn», schreibt Sprecher.
Von den zwölf Auserwählten macht je die Hälfte eine Ausbildung zum Helikopter- beziehungsweise Kampfpiloten. Ihr Leben ist während fünf Jahren eine Abfolge von Schule, Sport, Training, Lernen. Die Reporterin besucht sie in ihren Piloten-WGs und stellt fest: «Pilot ist kein Beruf, Pilot ist eine Lebensform.» Untereinander geben sie sich Codenamen wie «Häsli» oder «Fönsi», und auch beim Grillieren sprechen sie am liebsten über das Fliegen. Wenn sie allerdings ihre Gefühle beschreiben sollen, schützen sie sich mit Floskeln wie «Die Freiheit zwischen Himmel und Erde ist grenzenlos». Und bloss nicht gegenüber den SteuerzahlerInnen den Eindruck erwecken, das Fliegen mache tatsächlich Spass!
Gespräche der Reporterin mit Ehefrauen und Exfrauen der Piloten durchbrechen die Mauer der Coolness: Eine Frau berichtet, wie sie nach der Hochzeit von ihrem Mann mit einem Hunter in die Lüfte gehoben wurde – als auch schon zwei Begleitmaschinen auftauchten. Heute sieht sie darin ein Signal, dass die Kameraden einander auch bei privaten Ausflügen nicht ausser Acht lassen, und meint, «geradlinig» könne auch «eindimensional» bedeuten. Die Schweizer Kampfpiloten – ein abgehobener, verschworener Männerbund. Damit wäre auch geklärt, woher die despektierlichen Frauensprüche von Ueli Maurer kommen.
Der Tod als Fehler
Unheimlich wird es definitiv, als der Ausbildner Maurus Berner auf den Plan tritt: Er treibt die Pilotenschüler auf einem Survivaltrip durch den Jura, wo sie sich eine Woche lang von Gräsern und Insekten ernähren müssen. Der ehemalige Mirage-Kommandant freut sich, dass die «Wischiwaschi-Jahrgänge» vorbei sind und sich «Leistung wieder abrufen lässt». Er führt aus, dass praktisch alle Abstürze der Luftwaffe bisher Pilotenfehler gewesen seien. Menschen wie Berner, die den Tod auf einen Fehler reduzieren, machen aus Pilot und Maschine erst ein Geschoss.
So korrekt, wie die Piloten fliegen sollen, kleiden sie sich für die Brevetierung. Luftwaffenchef Markus Gygax umreisst an der Feier am Vierwaldstättersee in groben Zügen die Bedrohungslage: «Auf diesem Planeten herrscht Gedränge.» Bleibt nur die Frage, ob es für die kommenden Auseinandersetzungen überhaupt noch Kampfpiloten braucht. Nachdem an der Brevetierung alle eine Rose erhalten haben, merkt Sprecher spöttisch an, ihre künftige Rolle könnte auch Rosenkavalier sein. Gebraucht würden in Zukunft wohl eher Hacker.
Fabian Biasio hat die Piloten als «Fotograf im Dienst» begleitet, wobei seine Bilder eine umgekehrte Wirkung entfalten, vom Politischen ins Persönliche: Sieht man zunächst die Pilotenschüler in ihren martialischen Uniformen beim Training in der Luft und bei der Rettung im Wasser, wirken sie auf den zweiten Blick wie Kinder beim Spielen – einige durchaus eingeschüchtert.
Margrit Sprecher: Unsere Kampf-Piloten. Mit Bildern von Fabian Biasio. Echtzeit Verlag. Zürich 2014. 128 Seiten. 32 Franken