Vernetzte Dinge und Datenschutz: Wenn die Kaffeemaschine zur Einbruchsgehilfin wird

Nr. 28 –

Smarte Dinge werden die Menge der Daten über uns vergrössern. Daten zu anonymisieren nützt dabei wenig. Es braucht neue Formen des Datenschutzes.

Illustration: Anna Sommer

Hernani Marques vom Chaos Computer Club Schweiz (CCC-CH) ist skeptisch. Immer mehr Geräte ans Netz zu hängen, hält er für einen heiklen Trend. Klar könne es praktisch sein, Geräte über Distanz zu bedienen oder zu warten: «Das Problem wird aber sein, dass man zu wenig in die Sicherheit investiert.» Die Gewinnmarge bei Kaffeemaschinen oder Spülmaschinen sei vermutlich nicht sehr gross: «Da wird man nicht noch zusätzlich Geld investieren, um den Onlinezugang sicher zu machen.»

Also kann es passieren, dass jemand über die Kaffeemaschine, die am Internet hängt, ins Computernetzwerk einer Firma einbricht oder über den Toaster die private Datenwolke knackt.

Das Internet ist in den achtziger Jahren entstanden, die Sicherheit der Daten war damals nicht wichtig. Bis man diese Gefahr erkannte, war die Grundstruktur des Internets schon gebaut. Es nachträglich sicher zu machen, ist schier unmöglich. «Um das zu erreichen, müsste man schon fast ein neues Internet entwickeln», sagt Marques.

Drei Kriterien

Es gibt drei einfache Kriterien, wenn es um unseren Umgang mit Daten geht: Erstens kann etwas günstig oder gratis sein, zweitens kann es einfach anzuwenden sein, und drittens schützt es unsere Daten vor fremden Zugriffen. Ob wir nun einen neuen Internetdienst nutzen oder ein neues digitales Spielzeug kaufen: Es können immer nur zwei der drei Punkte erfüllt werden – alle drei bekommt man nie: Ist etwas gratis und einfach zu bedienen, werden unsere Daten abgesogen. Ist es sicher und einfach handhabbar, muss man dafür bezahlen.

Das gilt schon heute für Internetdienste wie Facebook, und es wird genauso für alle vernetzten Dinge gelten.

Es ist vorstellbar, dass die Migros oder Coop einmal einen günstigen smarten Kochherd anbieten, der einen mit passenden Kochrezepten bedient, weil er ja weiss, was wir gekauft haben – und gleichzeitig wird der Herd sämtliche Gebrauchsdaten an den Grossverteiler überspielen.

Dasselbe gilt übrigens auch für die elektronischen PatientInnendossiers. Der Eidgenössische Datenschutzbeauftragte verlangt zwar im jüngsten Jahresbericht, die Dossiers dürften nur auf freiwilliger Basis eingerichtet werden. Personen, die von vergünstigten Prämien profitieren möchten, dürften jedoch keine Wahl haben. Sie werden früher oder später einwilligen müssen, dass ihre Krankendaten elektronisch verwaltet werden.

Selbst wenn die Daten nur anonymisiert verwertet würden, bekämen die Kassen einen tiefen Einblick in die Leiden ihrer Kundschaft. Irgendwann dürfte individuelles Verhalten wie etwa Rauchen bei der Prämienfestsetzung relevant werden.

Daten zu anonymisieren, schützt dabei wenig. «Je grösser die Menge anonymisierter Daten ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass Daten einer bestimmten Person zugeordnet werden können», schreibt der Zürcher Datenschutzbeauftragte Bruno Baeriswyl (siehe WOZ Nr. 49/13 ).

Missbrauch ist schon da

Wenn nun auch Dinge beginnen, Daten über uns zu sammeln, wird die Datenflut unermesslich. Und das stellt den Datenschutz vor völlig neue Herausforderungen. Denn das gültige Datenschutzsystem basiert auf dem Konzept, dass personenbezogene Daten gesammelt werden. Die Riesenmengen anonymisierter Daten unterlaufen jedoch dieses Konzept. Mit ihnen kann man Informationen über die Individuen ableiten, ohne persönliche Daten gesammelt zu haben. Diese individuellen Informationen entziehen sich jeder Kontrolle und jeder Einflussnahme. Die DatenschützerInnen können nicht mehr intervenieren.

Hernani Marques vom CCC-CH sagt, in manchen Alltagsbereichen sei die Überwachung schon Realität: «Im Moment erfolgt der Missbrauch vorerst unbemerkt. Aber er ist da.» Wenig transparente Auskunfteien überprüfen beispielsweise die Bonität der Leute. Man weiss nicht, aufgrund welcher Daten diese Firmen ihre Einschätzungen abgeben. Diese Beurteilungen können aber entscheiden, ob man einen Kredit oder eine Wohnung erhält. Das ist nicht lebensbedrohlich wie in Diktaturen, aber es schliesst Menschen aus. Sie bekommen gewisse Wohnungen und Jobs nicht mehr. Sie werden kaum herausfinden können, welche Daten ihnen den schlechten Ruf eingebrockt haben. «Und sie werden Fehlinformationen nie korrigieren können», sagt Marques. «Die heutige westliche Überwachung hat kafkaesken Charakter.»

Siehe auch «Wenn die Dinge klug und hilfsbereit werden » und «Ein Grossexperiment namens Big Data ».