Die Bangladesch-Connection: Seco reicht Strafanzeige ein
Nach WOZ-Recherchen zum Besuch von Paramilitärs in Zürich hat das Seco Strafanzeige bei der Bundesanwaltschaft eingereicht. Es prüft zudem, Statistiken zum Export von Überwachungstechnologie zu veröffentlichen.
Der Besuch einer Delegation aus Bangladesch in Zürich, den die WOZ letzte Woche (siehe WOZ Nr. 36/2014 ) enthüllte, beschäftigt nun auch Politik und Justiz. Aline Trede, grüne Nationalrätin und Mitglied der Sicherheitskommission, fordert mehr Transparenz beim Export von Überwachungstechnologie: «Wenn Schweizer Firmen mit menschenrechtlich fragwürdigen Staaten oder Organisationen geschäften, ist das problematisch.» Das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) hat mittlerweile Strafanzeige bei der Bundesanwaltschaft eingereicht. Die Bundesanwaltschaft bestätigt dies der WOZ.
Die WOZ deckte auf, dass Ende August zehn Mitglieder der berüchtigten Spezialeinheit Rapid Action Battalion (RAB) aus Bangladesch die Schweizer IT-Firma Neosoft in Zürich besucht hatten. Fotos und Videos belegen die Visite, ein Geschäftspartner von Neosoft bestätigte am Telefon, dass die Bangladescher Mitglieder des RAB seien. Das Westschweizer Fernsehen RTS untermauerte die WOZ-Recherchen mit exklusivem Filmmaterial: An einer Messe im Frühling präsentierte Neosoft genau jenes Fahrzeug, in dem die Firma auch die bangladeschische Delegation durch Zürich fuhr. In einem verdeckt geführten Interview preist ein Mitarbeiter zudem die Vorzüge des sogenannten IMSI-Catchers der Firma Neosoft an.
Mit einem IMSI-Catcher lassen sich je nach Modell und Leistung HandynutzerInnen im Umkreis von mehreren Hundert Metern identifizieren, Handys manipulieren und Gespräche abhören. IMSI-Catcher sind ein beliebtes Tool von Strafverfolgungsbehörden und Geheimdiensten. Sie werden aber auch zur Repression von politischen AktivistInnen genutzt. Einen solchen IMSI-Catcher will seit Anfang des Jahres auch das RAB in Bangladesch anschaffen. Es wäre ein fragwürdiger Deal mit ungewissen Konsequenzen.
Hinrichtungen, Entführungen, Mord
Das RAB, 2004 von der damals herrschenden nationalkonservativen Bangladesh Nationalist Party ins Leben gerufen, setzt sich bis heute aus der zivilen Polizei und Mitgliedern des Militärs zusammen. Diese Vermischung stösst bei Menschenrechtsorganisationen auf Kritik. Zwar werde das RAB offiziell von einem Polizisten geführt, schrieb Human Rights Watch im Juli in einem offenen Brief an die bangladeschische Regierung, aber in der Praxis hätten Militäroffiziere das Sagen.
Human Rights Watch und Amnesty International beschuldigen das RAB, seit seiner Gründung für die aussergerichtliche Hinrichtung von über 700 Menschen und zahllose Entführungen verantwortlich zu sein. Im April sollen Offiziere des RAB einen mutmasslichen Auftragsmord für einen Politiker ausgeführt haben. Sieben Personen wurden dabei getötet. Die Polizei verhaftete seither drei Offiziere des RAB. Eine Anklage sei bisher aber ausgeblieben, schrieb Amnesty International Anfang September. Bereits während der bangladeschischen Wahlen im Januar 2014 soll das RAB verschiedene Oppositionelle verhaftet und umgebracht haben. Unter anderem deshalb bezeichnet Human Rights Watch das RAB als «Todesschwadron» und fordert, dass das RAB aufgelöst und durch eine zivile Polizei ersetzt wird.
Das RAB entgegnete jeweils, die Personen seien im sogenannten Kreuzfeuer gestorben. Im Frühling liess sich laut Human Rights Watch ein Regierungsmitglied dahin gehend verlauten, dass zwar jeder Mensch das Recht habe zu leben, «aber ein bisschen Kreuzfeuer ist nötig, um den Terrorismus im Land auszurotten».
Trede: «Fragwürdige Exporte»
In der Schweiz ist derweil eine Diskussion über den Export von Überwachungstechnologie entbrannt. Das Seco hat nach den Recherchen der WOZ «Abklärungen» eingeleitet. Am Mittwoch reichte es zudem Strafanzeige bei der Bundesanwaltschaft ein.
Bereits im Juni gelangte Nationalrätin Aline Trede mit einer einfachen Anfrage an den Bundesrat. Sie wollte wissen, in welche Staaten die Schweiz IMSI-Catcher exportiert. Die Antwort des Bundesrats kam Ende August, just als sich die bangladeschische Delegation in Zürich befand. Der Bundesrat verweigerte ihr zwar mit Verweis auf die «Wahrung überwiegender öffentlicher oder privater Interessen» eine öffentliche Auskunft. In einer merkwürdigen Antwort erklärte er sich aber bereit, Trede die Empfängerstaaten persönlich und vertraulich bekannt zu geben. Eine Praxis, die «nicht sehr häufig» vorkomme, rechtlich aber nicht zu beanstanden sei, erklären die Parlamentsdienste auf Anfrage.
Trede bestätigt der WOZ, eine Liste mit den Empfängerstaaten von IMSI-Catchern erhalten zu haben, darf den Inhalt wegen des Amtsgeheimnisses aber nicht preisgeben. Dennoch sagt sie: «Es gibt Staaten auf der Liste, bei denen ich einen Export für fragwürdig halte.» Deshalb müsse die Liste publik gemacht werden, um eine öffentliche Diskussion zu ermöglichen: «Bei den Kriegsmaterialexporten veröffentlicht das Seco ebenfalls jährlich Statistiken über die Exporte.» Dasselbe müsse auch für die Empfängerstaaten von besonderen militärischen Gütern gelten. «Warum sollte das bei der Überwachungstechnologie nicht auch möglich sein?»
Mit ihrer Forderung stösst Trede beim Seco auf offene Ohren. Jürgen Böhler, Leiter der Exportkontrollen für Dual-Use-Güter beim Seco: «Das Seco prüft, in Zukunft eine ähnliche Statistik zu erteilten Ausfuhrbewilligungen von Dual-Use-Gütern zu veröffentlichen. Darunter auch Überwachungstechnologie, so wie dies heute schon bei den besonderen militärischen Gütern gehandhabt wird.»