Die Bangladesch-Connection: Eine verräterische Erklärung
Eine «Todesschwadron» versucht, Überwachungstechnologie aus der Schweiz zu kaufen. Trotz eindeutiger Hinweise auf Gesetzesverstösse stellt die Bundesanwaltschaft das Verfahren ein.
Es war ein Gastspiel der unangenehmen Sorte, das die WOZ Ende August 2014 aufdeckte (siehe WOZ Nr. 36/2014 ). Die Gäste: das Rapid Action Battalion (RAB) aus Bangladesch, das von Menschenrechtsgruppen wegen aussergerichtlicher Hinrichtungen als «Todesschwadron» bezeichnet wird. Der Gastgeber: die in Zürich ansässige und von drei RussInnen kontrollierte Informatikfirma Neosoft, die sich auf Überwachungstechnologie spezialisiert hat. Das Ziel: ein Deal für den Export von sogenannten IMSI-Catchern, einem Überwachungsgerät, mit dem sich HandynutzerInnen im Umkreis von mehreren Hundert Metern identifizieren, Handys manipulieren und Gespräche abhören lassen. IMSI-Catcher werden auch gegen politische AktivistInnen eingesetzt.
Nachdem die WOZ den Besuch des RAB bei Neosoft publik gemacht hatte, reichte das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) bei der Bundesanwaltschaft Strafanzeige ein. Der Verdacht: mutmassliche Widerhandlung gegen das Güterkontrollgesetz. Das Seco vermutete, dass das RAB in Zürich ohne Bewilligung an IMSI-Catchern ausgebildet worden war.
Jetzt erfolgt die späte Bestätigung der Recherchen: Die Einstellungsverfügung der Bundesanwaltschaft hält fest, dass die zehn Männer aus Bangladesch tatsächlich zum RAB gehörten. Laut ihren eigenen Angaben reisten sie für eine «Schulung» in die Schweiz. Trotzdem hat die Bundesanwaltschaft die Strafuntersuchung Anfang März eingestellt. Die Einstellungsverfügung zeigt nun detailliert, was sich im Sommer 2014 abspielte.
Schulung oder Präsentation?
Am 17. Juli reichte Neosoft beim Seco ein Gesuch ein, um IMSI-Catcher an das umstrittene RAB zu liefern. Nach Informationen der WOZ hätte dieser Deal über einen Zwischenhändler in Deutschland abgewickelt werden sollen. Mit Berufung auf das bangladeschische Ministerium für Planung kam die Zeitung «New Bangladesh» diesen März zum selben Schluss. Das Seco prüfte das Gesuch, hat aber bis heute keinen Entscheid gefällt. Derweil beantragten die Paramilitärs aus Bangladesch Einreisevisa für die Schweiz, wie Abklärungen des Schweizer Geheimdienstes NDB ergaben. Dabei kam auch eine verräterische Erklärung der bangladeschischen Delegation ans Licht: Als Zweck des Besuchs gab das RAB «Inspektion vor der Lieferung und Schulung» an («pre-shipment inspection and training»). Von Gesetzes wegen sind nicht nur Exporte, sondern auch Schulungen an entsprechenden Gütern bewilligungspflichtig. Allerdings hat das Seco nie ein Gesuch für eine Schulung erhalten, nur für die Ausfuhr.
Die Informationen des Geheimdienstes und die Recherchen der WOZ boten den Exportkontrolleuren vom Seco genügend Hinweise, dass die Mitglieder des RAB in der Schweiz ausgebildet wurden. Am 9. September 2014 erstatteten sie bei der Bundesanwaltschaft Anzeige.
Die Bundesanwaltschaft kam bei ihren Ermittlungen zu anderen Schlüssen. Zwar sei unbestritten, dass IMSI-Catcher der Mobilfunküberwachung dienten und dass Schulungen einen Technologietransfer darstellten und somit unter das Güterkontrollgesetz fielen. Allerdings lasse sich «nicht rechtsgenüglich erhärten, ob im vorliegenden Fall tatsächlich Schulungen in den Räumlichkeiten [der Neosoft] stattgefunden haben». Anfang März stellte sie das Verfahren gegen Neosoft ein.
In der Begründung schreibt die Bundesanwaltschaft, der Verwaltungsratspräsident der Neosoft habe die Indizien für einen Gesetzesverstoss «vollumfänglich relativiert und insofern entkräftet». Er war im Januar als Auskunftsperson einvernommen worden. Anders als die Männer des RAB scheint sich Neosoft bewusst gewesen zu sein, dass das Treffen in Zürich heikel sein könnte. Den Besuch der bangladeschischen Delegation begründete Neosoft denn auch nicht mit einer Schulung, Ziel seien lediglich eine «technische Präsentation» und Diskussionen über «künftige Geschäftsmöglichkeiten in Bangladesch» gewesen.
Die Bundesanwaltschaft hält eine «seriöse Ausbildung» auch deshalb für unwahrscheinlich, weil die dafür zur Verfügung stehende Zeit «viel zu knapp» gewesen sei. Schliesslich war in der Strafanzeige lediglich von zehn Stunden die Rede, die die Delegation aus Bangladesch bei Neosoft verbracht habe. Recherchen der WOZ hatten jedoch ergeben, dass sie mindestens eine Woche in einem Hotel in Zürich logierte. Ungeklärt bleibt also, welchen Tätigkeiten die Männer des RAB in der restlichen Zeit nachgegangen sind.
Das Seco will die Verfahrenseinstellung nicht kommentieren. Die NGO Privacy International beurteilt diese als «höchst enttäuschend».
Exporte für 31 Millionen Franken
Der Export von Überwachungstechnologie ist erst seit 2012 bewilligungspflichtig. Seither ist der Wert der bewilligten Gesuche von IMSI-Catchern angestiegen, von 8,6 Millionen Franken im Jahr 2012 auf 13,6 Millionen im Jahr 2014. Insgesamt hat das Seco seit 2012 Exporte von IMSI-Catchern über 30,9 Millionen bewilligt.
Vergangene Woche hat der Bundesrat nun die Bestimmungen für Überwachungsexporte verschärft. Neu unterliegt nicht nur die Ausfuhr von Überwachungstechnologie der Bewilligungspflicht, sondern auch die Finanzierung und Vermittlung von im Ausland hergestellten Gütern durch eine Schweizer Firma. Zudem kann ein Export verweigert werden, wenn die Überwachungstechnologie als Repressionsmittel eingesetzt wird. Die Verordnung dürfte Exporte in autokratisch regierte Länder wie Bangladesch erschweren.