Was weiter geschah: Legale Baustellenbesuche
Die fünf Unia-FunktionärInnen, denen vor gut drei Wochen am Bezirksgericht Bülach der Prozess gemacht wurde, sind alle freigesprochen worden. Ihnen war teilweise mehrfacher Hausfriedensbruch vorgeworfen worden. Zwischen November 2011 und März 2012 hatten sie mehrere Baustellen im Grossraum Zürich aufgesucht, um die Bauarbeiter über das bevorstehende Auslaufen des Landesmantelvertrags zu informieren und für eine Protestaktion zu mobilisieren. Bei einem weiteren Besuch konnte ein Fall von Lohndumping aufgedeckt werden.
Im Kanton Zürich kam es auch in ähnlichen Fällen noch nie zu einer Verurteilung. Ein Gutachten von Strafrechtsprofessor Marcel Niggli (Universität Fribourg) stützt diese Praxis: Baustellenbesuche seien als legitime mildere Vorstufen des Streiks zu betrachten, sie fielen somit unter die verfassungsmässig garantierte Koalitionsfreiheit. GewerkschafterInnen dürften demnach im Rahmen der gewerkschaftlichen Tätigkeit auch gegen den Willen des Hausherrn eine Baustelle oder einen Werkplatz betreten.
«Mit dem Urteil ist der Versuch der Kläger, die Gewerkschaftsarbeit zu kriminalisieren, gescheitert», sagt Pepo Hofstetter, Kommunikationsverantwortlicher der Unia. Die Staatsanwaltschaft sowie mindestens eine Klägerpartei haben jedoch Berufung eingelegt. Nun muss das Bezirksgericht eine schriftliche Urteilsbegründung vorlegen; danach kann die Klägerschaft ans Obergericht gelangen. nol
Nachtrag zum Artikel «Es muss möglich sein, Missstände vor Ort aufzudecken » in WOZ Nr. 35/14.