Kultour

Nr. 7 –

Festival

Herhören

Jubiläumsklänge sind übers Wochenende in Bern zu hören, wenn das fünfte Sonohr-Festival stattfindet. Hörstücke, experimentale Dokumentationen, Audiocollagen, Radiokunst, Feature – das sind einige der Formen, in die sich das einstige Hörspiel aufgegliedert hat. «Lost in Navigation» von Lisa-Marie Dickreiter und Andreas Götz kündet sich als «akustisches Roadmovie auf engstem Raum» an, in einem 5.1-Surround-Mix sitzt man mit den ProtagonistInnen im Auto – für einmal auch für VelofahrerInnen zu empfehlen. Die Do-it-yourself-Figur Gaudenz Trüeb berichtet über «Das Kettensäge- und Bschüttlochmassaker» – nichts für zartbeohrte ZuhörerInnen. Dafür zieht einen vielleicht das Satirehörspiel «Ein Tag im Leben des Privatradios» von Mirio Bähler und Thierry Lüthy an – das Privatradio hat offenbar nur Material für vier Minuten hergegeben.

Der Wettbewerb ist erstmals gesamtschweizerisch ausgeschrieben, sodass auch Töne aus der Romandie und aus dem Tessin zu vernehmen sind.

Sonohr-Festival in: Bern Kino Kunstmuseum und Kulturpunkt sowie Atelier Norbert Klassen im Progr, Fr–So, 13.–15. Februar 2015. www.sonohr.ch

Stefan Howald

Eingreifen

Lampedusa ist Symbol und schreckliche Realität zugleich. Auf der Mittelmeerinsel gehen Hoffnungen und Menschen zugrunde, und hier zeigt sich das unmenschliche Scheitern der europäischen Flüchtlingspolitik. Das Lampedusa-Festival in Zürich will nicht nur politische Aufklärung liefern (vgl. «Migration» in der Politour-Rubrik ), sondern zeigt auch künstlerische Umsetzungen. Hörspiele, Filme und visuelle Installationen versuchen, dem Elend und Schrecken, aber auch dem Engagement und den Erfolgen eine besondere emotionale Qualität abzugewinnen. Damit wir alle eingreifen.

Lampedusa-Festival in: Zürich Rote Fabrik, 
Do–So, 12.–15. Februar 2015. www.rotefabrik.ch

Stefan Howald

Konzert

Mitklatschen

Verbotene Namen und Wörter in dieser Konzertvorschau: Elfe, Kate Bush, Björk, Experimentalpop. Das wären so die erstbesten Schubladen, die immer dann gezogen werden, wenn es irgendwo gilt, den ebenso opulenten wie verqueren Folk von Shara Worden alias My Brightest Diamond dingfest zu machen.

Stimmt schon, die New Yorker Sängerin und Multiinstrumentalistin ist daran selbst nicht ganz unschuldig. Frisuren, Kostüme und Phrasierungen sagen: Obacht, Extravaganz! Dazu kommen ihre Herkunft aus dem Umfeld von Sufjan Stevens und ein Flair für vertrackte kammermusikalische Arrangements, die von ihrer soliden klassischen Ausbildung zeugen. So klingt Hochbegabtenpop aus dem Wunderland.

Nach Ausflügen ins orchestral-ätherische Getriller gehen My Brightest Diamond auf ihrem aktuellen Album «This Is My Hand» (2014) wieder etwas bodenständiger zur Sache. «I feel the weight of a billion years come down on me», singt Shara Worden gleich zu Beginn in «Pressure» über einem perkussiven Kesseltreiben und diskret umworben von Bläsern aus Holz und Blech. Das Gewicht von einer Milliarde Jahren? So leicht, wie Shara Worden das hier daherflötet, macht ihr diese Last offenbar gar nicht zu schaffen. Das Schwere ganz leicht machen: Wie gut sie das beherrscht, hat sie schon gezeigt, als sie «Lucky» von Radiohead in eine geisterhafte Elektroballade verwandelte. Dies ist meine Hand, ich brauche sie zum Beifallklatschen.

My Brightest Diamond in: Zürich Bogen F, 
Mi, 18. Februar 2015, 21 Uhr; Düdingen Bad Bonn, 
Do, 19. Februar 2015, 21 Uhr.

Florian Keller

Ausstellung

Hinschauen

Was «Ulysses» von James Joyce für Dublin, ist «Alles in Allem» von Kurt Guggenheim für Zürich: eine umfassende Bestandesaufnahme einer Stadt. Zwar, der Vergleich hinkt ein bisschen, denn die sprachlichen Formen könnten nicht unterschiedlicher sein. Guggenheim hält es nüchterner, realistischer. Doch sein Roman ist eine unvergleichliche Quelle für das politische, soziale und kulturelle Klima in der Stadt Zürich zwischen 1900 und 1945 – wo während zweier Weltkriege die Welt zu Gast oder im Exil war.

Guggenheim (1896–1983), ausgebildeter Kaufmann, publizierte ab 1935 Romane und verfasste Filmdrehbücher. «Alles in Allem» erschien in vier Bänden von 1952 bis 1955. Darin beschreibt er die verschiedenen städtischen Schichten, Arbeiterschaft, Bürgertum und Boheme, die sozialdemokratischen, pazifistischen, gutbürgerlichen, rechtsnationalen Szenen, mit starkem Blick auf die jüdische Kultur. Das Buch ist sogar mit einem Namensregister versehen. Dabei wird der dokumentarische Charakter künstlerisch umspielt, da historische Figuren zuweilen mit richtigen Namen auftauchen, zuweilen kaum verhüllt, zuweilen dichterisch anverwandelt sind.

Diesem erstaunlichen Werk ist jetzt eine Ausstellung in, natürlich, Zürich gewidmet, und zwar im Museum Strauhof. Verantwortet hat sie Charles Linsmayer, der Guggenheims Werke bei Orell Füssli neu aufgelegt hat. Gediegene Qualität ist damit garantiert.

148 historische Fotografien bilden die Schauplätze des Romans ab, in einer Broschüre findet sich zu jeder Fotografie ein Auszug aus dem Roman. Dazu hat die Grafikerin Anna Luchs fünfzig Personen des Romans gezeichnet. Sie bevölkern die Broschüre und den Raum mit den Fotografien. Zugleich ist Guggenheims Arbeitszimmer rekonstruiert worden – ein ausstellungstechnisches Verfahren, das nicht gar so neu und ertragreich ist. Die Ausstellung geht dabei über Guggenheim hinaus und stellt im oberen Stock Zürich «im Spiegel» von weiteren «literarischen Werken des 20. Jahrhunderts» dar.

Sehen lässt sich das während der sogenannten Zwischennutzung im Museum Strauhof, jenem Veranstaltungsort, der in einer Provinzposse aus der Zürcher Kulturpolitik zuerst geschlossen werden sollte und jetzt in einer Art Public-Private-Partnership weiterbetrieben werden soll – wozu offenbar gehört, dass die Ausstellung auf der stadteigenen Website schon nicht mehr beworben wird.

Ein Rahmenprogramm beginnt am Donnerstag, 19. Februar 2015, mit der Aufführung des Films «Riedland» (1976) nach einem Roman von Guggenheim.

«Sechzig Jahre ‹Alles in Allem›: Zürich im Spiegel von Kurt Guggenheims Tetralogie und von weiteren literarischen Werken des 20. Jahrhunderts» in: Zürich Museum Strauhof, 
bis 31. Mai 2015, Di–Fr, 13–19 Uhr, Sa/So, 10–18 Uhr. www.guggenheim-ausstellung.ch

Stefan Howald

Buddeln

Das Museum Mühlerama in Zürich trotzt dem Winter und gärtnert weiter. Es hat seine Ausstellung «Stadtgemüse» bis zum 30. April 2015 verlängert und damit Fragen rund ums Stadtgärtnern, die Saatgutproblematik und die Bedeutung von Sortenvielfalt in den Winter überführt.

Mit Wintergarten ist hier also keineswegs das gemütliche, rundum verglaste Omapanoptikum gemeint, das trotz Winter das Draussensitzen und In-den-Himmel-Schauen möglich macht. Nein, es geht um echtes Gärtnern – darum, mit roter Nasenspitze und voller Vorfreude auf den Frühling in der Erde zu wühlen, darum, ein Urban Gardener zu sein, der diese Bezeichnung verdient. Die Ausstellung mit Audiorundgang führt unter anderem in das Urban-Gardening-Phänomen ein, das in den letzten Jahren eine regelrechte Blütezeit erlebt hat, stellt kreative Stadtgärten aus verschiedenen Teilen der Welt vor, lädt in den eigens bepflanzten Hofgarten, der im Moment eine Vielfalt von Wintergemüse beherbergt, und hat mit einer «Do it yourself»-Werkstatt und einem Rätselparcours auch für die nächste Generation von StadtgärtnerInnen etwas zu bieten. Abgerundet wird diese winterliche Huldigung an das Selbstaussäen, Jäten und Ernten mit einem Begleitprogramm: Filmabende, Podiumsdiskussionen, Führungen und Workshops für kleine und grosse GärtnerInnen und alle, die es werden wollen.

«Stadtgemüse» in: Zürich Mühlerama, Seefeldstrasse 231, bis Do, 30 April 2015. 
Di–Sa, 14–17 Uhr, So, 10–17 Uhr. 
www.muehlerama.ch

Stephanie Danner