Kost und Logis: Nicht mehr so radikal
Bettina Dyttrich über geplatzte Träume der Milchindustrie
Vor sieben Jahren sah die Welt noch anders aus. «Wir zeigen, dass es geht, dass man auch in einem geöffneten Markt bestehen kann», sagte Christof Züger, CEO der Züger Frischkäse AG im St. Galler Autobahndorf Oberbüren, damals zur «Bilanz». Er gab sich ganz als freier Unternehmer und plädierte für Agrarfreihandel mit der EU. Züger Frischkäse ist der grösste Frischkäseproduzent der Schweiz, mehr als zehn Prozent der Schweizer Käseexporte kommen aus seinem Haus.
Heute klingt Christof Züger nicht mehr ganz so marktradikal. Im Magazin «Alimenta» forderte er kürzlich mehr staatliche Unterstützung. Nicht für sich, sondern für die Milchbauern – damit Verarbeitungsfirmen wie Züger ihnen weniger für die Milch bezahlen können.
Zügers Gesinnungswandel ist kein Grund zur Häme. Er zeigt einfach, dass die Wachstums- und Exportpläne der Schweizer Milchindustrie wohl Träume bleiben werden. Und geträumt wurde in den letzten Jahren viel: Mozzarella für Korea, Joghurt für Deutschland, Babynahrung für die ganze Welt. Mit dem Ende des Euromindestkurses sieht es ein bisschen anders aus.
Am 1. April endet die Milchkontingentierung in der EU. Die absehbaren noch grösseren Überschüsse werden auch den Schweizer Milchmarkt beeinflussen, obwohl es für ihn (ausser beim Käse) noch Grenzschutz gibt. Dabei ist die Situation der MilchbäuerInnen jetzt schon schlimm genug. Denn die Milchindustrie mit ihren Wachstumsträumen sorgt seit Jahren dafür, dass stets mehr Milch auf dem Markt ist, als zu guten Preisen verkauft werden kann.
Jene MilchproduzentInnen, die nicht resignieren wollen, etwa die kämpferische kleine Gruppe BIG-M, fordern seit langem das Gleiche: Nur noch so viel melken, dass es für den Schweizer Markt und für Qualitätsprodukte für den Export reicht. Keine Überschüsse mehr, die zu Dumpingexporten von Billigkäse, Milchpulver und Butter führen. Eine transparente Mengensteuerung soll verhindern, dass Überschüsse entstehen und den Preis drücken. Sie wäre ökologisch wie sozial sinnvoll und mit einer Allianz zwischen SVP und Linksgrünen vielleicht sogar mehrheitsfähig. Aber sobald es um Agrarpolitik geht, kann es vielen Linken leider nicht marktradikal genug sein.
Direkte Kontakte helfen aus der Marktmisere: In Dietikon bauen Konsumentinnen und Produzenten die Q-Milch-Genossenschaft auf, die Milchprodukte zu kostendeckenden Preisen im Abosystem vertreibt. Wer die Kuh kennt, von der die Milch im Kühlschrank kommt, lernt verstehen, dass das Essen nicht immer billiger werden kann.
Doch solche Initiativen sind (noch?) eine winzige Nische. Es braucht auch faire Bedingungen für jene, die für die grosse Masse produzieren. Oder wo haben Sie Ihr letztes Joghurt gekauft?
Bettina Dyttrich ist WOZ-Redaktorin und schreibt gerade ein Buch namens «Solidarische Landwirtschaft». Mehr über die Q-Milch-Genossenschaft auf www.imbasi.ch.