Wichtig zu wissen: Warnung vor dem Ballifat

Nr. 24 –

Windfahne Ruedi Widmer über die Zeit nach Joseph S. Blatter

Alle haben gejubelt, als der Sepp weg war. Man hat mediale Bombenangriffe geflogen, es gab mutige Attentäter, die in den Hintereingang des Fifa-Kongresses hineinschimpften («Fifa, Mafia, heigaa»). Ich liess mich von diesem fussballerischen Frühling mitreissen und stimmte in den Chor ein, typografisierte «Je ne suis pas SEPP» und haute mit allen andern auf den wehrlosen Walliser ein, der schon mitsamt seinem Pressesprecher am Boden lag.

Nur Roger Köppel verwahrte sich dagegen. Es war vielleicht Zivilcourage, der Einsatz für den Schwächeren. Auf jeden Fall spürte er das Unbehagen vor allen anderen.

Immer noch lag der Pixeldampf der Facebook- und Twitter-Revolte in der Luft, da schoss es mir durch den Kopf: Diesen Fehler hatten wir schon mal gemacht.

Das S. in Joseph S. Blatter.

Saddam. Saddam Hussein. Kaum googelte ich diesen Kausalzusammenhang, erschien zuoberst die «Weltwoche», deren Autor (es war nicht Köppel, der war am AC/DC-Konzert) nebst Beschimpfungen der Gutmenschen und Korruptionsgegner doch immerhin die Saddam-Idee erwähnte.

Wer ist heute im Irak an der Macht? Richtig, der IS. Wer folgt auf Sepp Blatter? Man will es gar nicht wissen. Ein heilloses Chaos wird den nur noch von Blatter zusammengehaltenen Weltfussball in den nächsten Monaten erschüttern.

Radikalisierte Fussballergruppen werden eigene Ligen ausrufen, von der Rhone bis an die Wolga, von Seattle bis Auckland, von Stockholm bis Montevideo. Von der Uefa anerkannte Klubs wie der FC Barcelona oder Bayern München dürften heillos auseinanderfallen. Spielerfrauen in Tränen, Spielerferraris in Flammen. Die Regel wird über allem stehen: Goal, Corner, Penalty.

Die von Fifa-müden Fussballkalifen aufgestachelten Fussballfreunde werden alles rausschmeissen, was nicht mit dem reinen Fussball zu tun hat: Werbebanden, Sponsoren, VIP-Lounges, Cheerleader. Stadien werden gestürmt, und alles wird mit dem Presslufthammer zerstört, was nicht das reine Spielfeld und die reine Zuschauertribüne und der reine Bier- und Wurststand ist.

Fussballer tragen meist keine Bärte. Auch verteilen sie nicht, die Abseitsregel rezitierend, in Fussgängerzonen die Fussballspielregeln, herausgegeben von der Schiedsrichterkommission des Schweizerischen Fussballverbandes. Fussballfreunde radikalisieren sich nicht innert Wochen. Solche Veränderungen würden Angehörigen schnell auffallen. Deshalb sind sie für die Terrorfahnder schlecht zu erkennen.

Fast die Hälfte aller Männer der Welt sind bereits Fussballer, sie sind mitten unter uns, radikalisiert seit Kindheit, seit sie auf Wiesen und Hinterhöfen ohne VIP-Lounges das Spiel erlernt haben, die Torpfosten nur mit ihren Jacken markiert.

Dieses Reiner-Fussball-Ideal ist Gift. Für die Fussballindustrie, für die Werbewirtschaft, für den Spielerhandel; auch für die Korruption. Denn Korruption gehört gleichberechtigt zum Fussball wie der Ball. Investoren wollen nicht am Rand von nicht mantelgenutzten Fussballwiesen stehen und zuschauen, wie die anderen spielen. Sie wollen Geld damit verdienen. Das ist ihr gutes Recht, und dieses Recht muss vom Staat geschützt werden wie die Diktatorengelder auf Schweizer Konten.

Deshalb muss dieses Ballifat schonungslos bekämpft werden.

Ruedi Widmer ist Cartoonist in Winterthur, wo der lokale FC bereits viele Regeln der radikal reinen Fussballlehre umgesetzt hat.