Zentralamerika: Die Geduld mit der Korruption ist zu Ende

Nr. 25 –

Jede Woche protestieren in den beiden Nachbarländern Honduras und Guatemala Zehntausende gegen die Korruption. Doch nur in einem der beiden Staaten gibt es eine linke Partei, die den Impuls aufnehmen kann.

Seit dem Militärputsch vom 28. Juni 2009 war Honduras ein noch tristeres Land als zuvor. Der ohnehin schwache Rechtsstaat hat mit diesem Putsch aufgehört zu existieren. Eine schmale selbstherrliche Oligarchie und das organisierte Verbrechen beherrschen das Land, das mit über neunzig Morden pro 100 000 EinwohnerInnen im Jahr die weltweite Verbrechensstatistik anführt. Einzig im syrischen Aleppo ist die Wahrscheinlichkeit, eines gewaltsamen Todes zu sterben, noch höher als in der honduranischen Industriemetropole San Pedro Sula.

Ausgeplünderte Spitäler

Die Massenproteste gegen die PutschistInnen schliefen langsam ein, nachdem Ende 2009 Porfirio Lobo in einer von den Militärs veranstalteten Wahl als Präsident installiert wurde. Er gehört zur Nationalen Partei, die die Interessen der GrossgrundbesitzerInnen vertritt, genauso wie sein Nachfolger Juan Orlando Hernández. Dieser hatte Ende 2013 einen obszön teuren Wahlkampf geführt, gewann den Urnengang mit nur knapp über 38 Prozent der Stimmen und konnte trotzdem ruhig regieren – bis jetzt: Seit drei Wochen stehen die HonduranerInnen alle paar Tage auf der Strasse, nicht nur in der Hauptstadt Tegucigalpa. Zuletzt waren es am vergangenen Freitag mehrere Zehntausend, die den Rücktritt von Hernández forderten.

Auslöser der Massenproteste ist ein Korruptionsskandal, der selbst für Honduras ungewöhnlich ist: Eine Gruppe prominenter UnternehmerInnen hat in der Regierungszeit Lobos die ohnehin chronisch unterfinanzierte staatliche Sozialversicherung um 200 bis 300 Millionen US-Dollar betrogen: Über Scheinfirmen wurden Lieferungen und Dienstleistungen abgerechnet, die es nie gegeben hat. Nach Schätzungen von Ärzteverbänden hatte dies rund 2800 Tote zur Folge. Menschen starben in öffentlichen Krankenhäusern, weil aus Geldmangel nicht einmal einfachste Medikamente und Verbandsmaterial vorhanden waren.

Mit einem Teil des unterschlagenen Geldes – bislang weiss man von 2,8 Millionen Dollar – wurde der Wahlkampf von Hernández finanziert. 940 000 Dollar flossen allein auf Privatkonten des heutigen Vizepräsidenten Ricardo Álvarez. Der in der Sache ermittelnde Staatsanwalt floh wegen Todesdrohungen nach Paris. Hernández, der seine Hände in Unschuld wäscht und von nichts gewusst haben will, hat ihn inzwischen zum Botschafter bei der Unesco gemacht.

Rücktritte in Guatemala

Der Präsident von Honduras ist nicht der einzige zentralamerikanische Staatschef, den derzeit der Zorn der Strasse trifft. In Guatemala stehen seit zwei Monaten jeden Samstag Zehntausende auf dem Platz vor dem Präsidentenpalast und fordern den Rücktritt des Rechtspopulisten Otto Pérez Molina. Seine Vizepräsidentin Roxana Baldetti und mehrere Minister sind schon Mitte Mai zurückgetreten. Baldettis Privatsekretär Juan Carlos Monzón war der Kopf einer Bande aus Staatsfunktionären, die von guatemaltekischen Unternehmen mehrere Millionen Dollar Schmiergelder eingesammelt hatten. Als Gegenleistung haben sie importierte Waren am Zoll vorbeigeschleust. Baldetti hatte Monzón bei der Flucht unterstützt. Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass auch sie von dem Geschäft profitiert hat.

Ende Mai flog dann ein zweiter Korruptionsskandal auf: Die staatliche Sozialversicherung hatte – gegen ordentlich Schmiergeld – ein völlig unerfahrenes Unternehmen mit dem Betrieb einer Dialysestation beauftragt. Die Firma hat damit fünfzehn Millionen Dollar verdient. Ärzte sagen, mindestens fünf Menschen seien bei dilettantischen Behandlungen gestorben. Verantwortlich für das Geschäft ist Juan de Dios Rodríguez, ehemals Privatsekretär von Pérez Molina und von diesem zum Chef der Sozialversicherung gemacht. Nun berät das Parlament darüber, ob die strafrechtliche Immunität des Präsidenten aufgehoben wird, um seine Verwicklung in den Fall klären zu können.

Pérez Molina will die wenigen Monate bis zum Ende seiner Amtszeit durchhalten. Am 6. September wird wieder gewählt. Doch die Protestbewegung hat keine Chance, den Zorn in ein Votum umzumünzen. Die Demonstrationen werden aus der Mittelschicht heraus über soziale Netzwerke im Internet und über Mundpropaganda organisiert, vorbei an hergebrachten politischen Strukturen. Und es gibt in Guatemala keine nennenswerte linke Partei, die den Impuls der Strasse aufnehmen und in staatliche Institutionen einbringen könnte.

Neue Hoffnungen für Zelaya

In Honduras hatte Präsident Hernández kurz vor dem Aufflammen der Proteste das mehrheitlich von ihm bestellte Verfassungsgericht angewiesen, das Verbot der Wiederwahl eines Präsidenten zu streichen. So kann er theoretisch Ende 2017 noch einmal antreten. Derzeit freilich sähen seine Chancen gar nicht gut aus. Doch ein anderer könnte davon profitieren: Manuel Zelaya, der 2009 gestürzte linke Präsident. Aus den damaligen Protesten gegen die PutschistInnen ist die Bewegung der Nationalen Front des Volkswiderstands (FNRP) entstanden. Ihr parlamentarischer Ableger Libre ist zweitstärkste Partei in der Abgeordnetenkammer. Wenn die heutigen Proteste kein Strohfeuer sind, wird Zelaya eine zweite Chance bekommen.