Was weiter geschah: Überwachung made in St. Gallen
Überraschend ist der Entscheid nicht, irritierend gleichwohl: Die Schweizer Fussballliga (SFL) will ihr im März lanciertes Pilotprojekt «Focus One» weiterführen. Damit nimmt die Liga die Fanüberwachung in die eigene Hand: Sie heuert private Sicherheitsleute an, die nicht nur im Stadion, sondern auch auf öffentlichem Grund «delinquente» Fans filmen sollen. Eine private Videoüberwachung auf öffentlichem Grund verstösst jedoch gegen das Verhältnismässigkeits- und Transparenzprinzip. Vor Gericht dürften solche Aufnahmen nur bei einer besonders schweren Straftat als Beweismittel verwertet werden – oder wenn das öffentliche Interesse höher gewichtet wird als das Persönlichkeitsrecht.
Zu dieser rechtlich überaus fragwürdigen Praxis passt, dass die Liga nun ohne abgeschlossene Evaluation weiterfährt. Obwohl man das Projekt auf die neue Saison hin auswerten wollte, heisst es nun: «Die Liga hat entschieden, ‹Focus One› im bisherigen Rahmen weiterzuführen. Die Auswertung der Pilotphase wird verlängert; noch fehlen wichtige Rückmeldungen.»
Zahlen und Ergebnisse zur Pilotphase will die Liga nicht veröffentlichen. Mediensprecher Philippe Guggisberg schweigt auch zu den Fragen, die die verklausulierte Medienmitteilung aufwirft: Ist «Focus One» nun schon definitiv eingeführt? Wird also die Pilotphase verlängert oder nur deren Auswertung? Und will die SFL irgendwann darüber informieren, wie die Privatüberwachung rechtlich aufgenommen wurde?
Lieber spricht die Liga über weitere Massnahmen. Um «ein einheitlicheres Vorgehen» zu erreichen, sollen etwa künftig Stadionverbote nicht mehr von den Klubs, sondern von einer bei der Liga oder dem Schweizerischen Fussballverband angesiedelten Instanz verhängt werden. Fananwältin Manuela Schiller hält das für fragwürdig: «Die Klubs kennen ihre Fans. Wird ihnen die Kompetenz entzogen, drohen Urteile nach einem sturen Katalog – und ohne jedes Mass.» Erarbeiten soll das neue Reglement Stephan Ramseyer, Leitender Jugendanwalt des Kantons St. Gallen. St. Gallen, das längst auf privates Filmen von Fussballfans setzt, ist also bei einer weiteren Verschärfung federführend.
Nachtrag zu den Artikeln «Fussballliga: Legal, illegal, scheissegal» in WOZ Nr. 21/2015 und «Der FC St. Gallen filmt draussen verdeckt» in WOZ Nr. 28/2015 .