Von oben herab: Waffen raus

Nr. 49 –

Stefan Gärtner zu einer unmoralischen Munitionslieferung

Auf dem Zürcher Flughafen landet eine saudi-arabische Militärmaschine, um Schweizer Munition für Flugabwehrgeschütze zu laden, obwohl Waffenlieferungen in die beliebte Demokratie vom Bundesrat fürs Erste untersagt worden sind. Die Landung hat für etwas Aufregung gesorgt, denn obwohl die Schweiz und Saudi-Arabien Brudervölker sind – Entscheidungen fallen einstimmig, Europa ist weit weg, und was gesprochen wird, verstehen bloss Experten –, führt Saudi-Arabien im Jemen Krieg.

Das Geschäft, so erfahren wir, ist bereits vor dem Moratorium genehmigt worden, und also ist alles legal und gut, wie das Schweizervolk die Volksinitiative «für ein Verbot von Kriegsmaterial-Exporten» 2009 ja auch mit einer dicken Zweidrittelmehrheit abgelehnt hat; schliesslich geht es um eine halbe Milliarde Franken jährlich oder sogar deren zwei, wenn wir alles einrechnen, was nicht als Waffe verwendet werden muss, aber als Waffe verwendet werden kann (DJ Bobo, Roger Köppel, Käsefondue). Noch im März 2014 hat der Nationalrat – knapp, aber doch – die Regeln für den Waffenexport gelockert, denn die schöne Schweiz aus Berg und See und Kuh und Käse will ja bezahlt sein. Und irgendwer schreit im Zweifel «Arbeitsplatz!», und schon ist der Rock näher als das Leichenhemd irgendeines Diversanten, der in der Schweiz so wenig wahlberechtigt war wie bei sich daheim.

Viel mehr kann ich als Exportweltmeister dazu gar nicht sagen, denn Geld stinkt bekanntlich nicht, und moralisch ist Waffenexport in den seltensten Fällen. Im Ersten Weltkrieg hat Thyssen beiden Seiten die Kanonen geliefert, im Zweiten das schöne, neutrale Schweden (falls das ironisch klingt, nicht meine Schuld!) Erz ans Deutsche Reich, und mit Ländern, die Blogger zu Tode peitschen, «Ehebrecherinnen» steinigen und Homosexuelle enthaupten, soll man eigentlich überhaupt keinen Handel treiben. Die soll man ächten und isolieren, aber dann geht der Ölofen aus, weshalb nun auch mit dem Iran, der Schwule an Baukränen erhängt, die Geschäftsbeziehungen wieder aufgenommen werden. Man handelt ja auch mit den USA, obwohl dort Behinderte, Unschuldige und vor allem Schwarze (meist ohne Gerichtsurteil) hingerichtet werden, und was immer die Schweiz nach Deutschland exportiert: Ins Land von Hartz IV und täglich brennenden Asylunterkünften dürfte auch nichts gehen, obwohl es um meinen Greyerzer schade wär.

Überhaupt unterscheidet sich die saudische Monarchie, wie bemerkt worden ist, nur graduell vom sog. Islamischen Staat – Justiz, Frauenrecht, Pressefreiheit –, aber Saudi-Arabien verfügt über etwas mehr Öl und gilt, trotz einiger belastbarer Hinweise auf Aktivitäten als Finanzier von al-Kaida, als «Stabilitätsgarant». Deshalb kriegt es Luftabwehrmunition aus der Schweiz und Panzer aus Deutschland und genehmigte die deutsche Regierung «trotz der umstrittenen Intervention im Jemen und dem Streit um die martialischen Strafen für den Blogger Raif Badawi … allein im April 2015 … Exporte von 100 Kleindrohnen, Funkzubehör und Ersatzteilen für gepanzerte Fahrzeuge im Wert von 12,8 Millionen Euro» («Spiegel Online»). Der Kapitalismus, Stichwort «offene Gesellschaft», hält sich viel darauf zugute, dass bei ihm das Fressen stets vor der Moral kommt, und da er im Kern unmoralisch ist, kommt man bei moralischen Einzelfallentscheidungen tatsächlich schnell ins Schwimmen. Denn Waffenexport ist Kapitalismus. Wer jenen nicht will, muss diesen verbieten.

Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.