Wichtig zu wissen: Infame Indiskretionen
Susi Stühlinger über ausgeplauderte Geheimnisse
Wenn ihm bewusst gewesen wäre, was er auslösen würde, hätte sich Verteidigungsminister Parmelin anders verhalten. Schliesslich war es ihm nie um einen persönlichen Vorteil gegangen, als er für die Steuerbefreiung von landwirtschaftlichen Grundstücken geworben hatte. Obwohl, so ein Bundesratssalär war ja auch nicht gerade grosszügig, verglichen etwa mit dem Chef der Credit Suisse, der zigmal so viel verdiente und trotzdem 6000 Leute, also das halbe VBS, entlassen konnte und dann auch noch Afrikaner war. Egal. Wichtiger war jetzt, dass eine Untersuchung eingeleitet wurde, die die undichte Stelle identifizierte, die den Bundsrat erst in die kompromittierende Lage hatte rutschen lassen, oder wie Nationalrat Fredi Heer es treffend sagte: «Mit solchen Indiskretionen kann man nicht leben.»
Ähnlich verhielt es sich mit Bundesrat Parmelins Angestellten, zum Beispiel dem Chef der Armee: Auch dort musste man die Sauhunde zur Rechenschaft ziehen, die seine Rede aufgezeichnet hatten, obwohl nicht für die Ohren von Zivilisten bestimmt. Wenn ihm die Aufnahmen bewusst gewesen wären, hätte er nicht «vor einem militärischen Publikum sehr drastisch formuliert und die Öffentlichkeit damit allenfalls vor den Kopf gestossen», als er einen Moderator des Staatsfernsehens mit Erbrochenem verglichen und erklärt hatte, dass die «Verräter», die ebendiesem jene Indiskretionen mit den nicht so treffsicheren Lenkwaffen ausgeplaudert hatten, jetzt «im übertragenen Sinn auf die Schlachtbank geführt» werden mussten, denn schliesslich hatte «noch niemand in Anspruch genommen, dass hundert Prozent der Waffen treffen».
Weitere Probleme mit Indiskretionen gab es freilich bei der Partnerorganisation des VBS, der Ruag, die sich russischen Hackern nicht hatte entziehen können, sodass die Auslandselitegeheimtruppe AAD 10 gar nicht mehr so geheim war. Allerdings hatte noch niemand in Anspruch genommen, dass sensible Daten der Bundesverwaltung zu hundert Prozent vor fremdem Zugriff geschützt wurden.
Grundsätzlich galt: Geheimnisverrat war zum Erbrechen, ausser wenn die Sache natürlich anders gelagert war, zum Beispiel bei Beat Feurer (SVP), Direktor für Soziales und Sicherheit in der Stadt Biel, der sich wegen angeblicher Anstiftung zur Amtsgeheimnisverletzung vor Gericht verantworten musste, obwohl er nur Anstiftung zum Whistleblowing betrieben hatte, weil er als Chef ja schlecht selbst whistleblowen konnte. Das wäre ja, wie wenn Bundesrat Parmelin in der Sache mit dem Grundstück gewhistleblowt hätte, dabei ziemte es sich nicht, sich selber zu verpfeifen. Ausser vielleicht bei den Steuerbehörden, aber nur, wenn man Ausländer war, und auch nur dann, wenns wirklich eng wurde, wobei auch für solche Situationen eine Lösung in Sichtweite war: Dank der freundlichen Initiative des Kantons Zug konnte der Bürger – also nach den Grundsätzen des New Public Management: der Kunde – Rechnungen und vielleicht bald auch die Steuern mit Bitcoins bezahlen, die man sich dann mit der Hilfe von russischen Hackern wieder zurückholen konnte – auch ohne dass man Bauer war.
Susi Stühlinger hat noch nie gewhistleblowt.