Demokratiekrise in Südkorea: «Was ist nur in dieser Zeit passiert?»

Nr. 20 –

Die südkoreanische Regierung verweigert einem 79-Jährigen, der vor Jahrzehnten mithalf, die Diktatur zu überwinden, die Einreise. Dies zeigt, wie sehr die Demokratie in Südkorea bereits wieder in Gefahr ist.

«Wie kann ein alter Mann wie ich eine Gefahr darstellen?», fragt Thomas Jong-Hyoun Rhee fassungslos. Der gebürtige Südkoreaner, der seit vierzig Jahren deutscher Staatsangehöriger ist und in Duisburg wohnt, wurde am 12. Mai bei seiner Ankunft in Südkorea festgenommen und am nächsten Tag nach Deutschland abgeschoben. Dem zierlichen Mann mit schlohweissem Haar, der dieses Jahr achtzig wird, wurde beschieden, es bestehe «die berechtigte Sorge», dass er «dem Staat Südkorea Schaden zufügt und eine Gefahr für die Sicherheit des öffentlichen Lebens darstellt».

Stolz auf den Kampf

Rhee kam in den sechziger Jahren nach Deutschland. Er arbeitete wie viele andere Südkoreaner als Bergarbeiter im Ruhrgebiet; später holte er ein Studium nach, heiratete und bekam zwei Kinder. Als er Südkorea verlassen hatte, war Diktator Park Chung Hee an der Macht gewesen. Rhee gründete mit anderen SüdkoreanerInnen und Deutschen mehrere Organisationen, die sich für die Demokratisierung und friedliche Wiedervereinigung Koreas engagierten.

Als 1979 Park Chung Hee von seinem Geheimdienstchef erschossen wurde, keimte für viele die Hoffnung auf, dass endlich das lang ersehnte Zeitalter der Demokratie anbräche. Doch nur Wochen später errichtete General Chun Doo Hwan eine Militärdiktatur. Gleichzeitig formierte sich der Widerstand. Ab dem 18. Mai 1980 erhoben sich in der Stadt Gwangju Hunderttausende gegen den neuen Diktator. Das Regime antwortete mit einem Massaker. Hunderte starben, als Soldaten wahllos in die Menge schossen; noch immer werden Menschen vermisst. Das Gwangju-Massaker steht seither für die Unterdrückung der südkoreanischen Demokratiebewegung der achtziger Jahre.

Ein ARD-Kameramann schmuggelte damals Aufnahmen des Massakers ins Ausland. Es waren diese Bilder, die Thomas Jong-Hyoun Rhee dazu brachten, sich noch stärker für Korea zu engagieren. Er versuchte, die deutsche Öffentlichkeit zu mobilisieren, um so von aussen Druck auf das Militärregime auszuüben. Es erfüllt Rhee mit Stolz, dass die SüdkoreanerInnen 1987 aus eigener Kraft die Demokratie erlangt haben.

Nun wollte Rhee am vergangenen Donnerstag ein vielleicht letztes Mal in sein Heimatland reisen, um an den Gedenkveranstaltungen zum 36. Jahrestag des Gwangju-Aufstands teilzunehmen. Er war als Redner und Vertreter der Organisation «Korean European Solidarity» eingeladen. «Ich konnte es nicht fassen, als man mir am Flughafen die Einreise verweigerte», sagt Rhee, wieder zurück in Duisburg. Er überlegt, ob die Einreiseverweigerung mit seinen früheren Besuchen in Nordkorea zusammenhängen könnte. Doch danach war er 2007 und 2010 auch wieder in Südkorea und hatte keinerlei Probleme bei der Einreise. «Was ist nur in dieser Zeit passiert?», fragt Rhee.

Erosion demokratischer Werte

Der südkoreanische Soziologe Kim Dong Choon sieht es so: «Die junge Demokratie unseres Landes ist seit rund acht Jahren im Rückzug begriffen, da die Politiker mit einer Gesinnungshaltung aus Zeiten des Kalten Kriegs die Macht halten.» Der namhafte Professor der Sungkonghoe-Universität glaubt, dass Rhee als «bedeutendes Symbol» der Demokratiebewegung zurückgewiesen wurde: «Park Geun Hyes Regierung wollte an ihm ein Exempel statuieren.»

Zeichen für den Rückzug der Demokratie unter Präsidentin Park Geun Hye gibt es einige: Die Tochter des früheren Diktators initiierte die Auflösung der linken Partei UPP, die sechs Plätze im Parlament innehatte. Zudem berief sie Kim Ki Chun als Staatssekretär ein – er war ein Vertrauter ihres Vaters und unter anderem mitverantwortlich für die Yushin-Verfassung, die die frühere Diktatur ermöglicht hatte (mittlerweile ist er wieder zurückgetreten). Weitere Zeichen: Die Lehrergewerkschaft wurde als illegale Organisation deklariert. In den Schulen gibt es nun staatliche Geschichtsbücher mit einer geschönten Darstellung der Diktatur. Und die Pressefreiheit erodiert – auf der weltweiten Rangliste von Reporter ohne Grenzen fiel das Land innerhalb eines Jahrzehnts vom 31. auf den 70. Rang zurück.

Thomas Jong-Hyoun Rhee sieht die Einreiseverweigerung als ein weiteres Zeichen für die Rückentwicklung der demokratischen Werte. «Die Menschen haben doch ihr Leben geopfert, um die Demokratie im Land zu erreichen», sagt er, erschöpft von den Strapazen der letzten Tage, «und nun wird sie Stück für Stück ausgehöhlt.» Trotz Verschlechterung seines Gesundheitszustands zeigt sich der 79-Jährige kämpferisch: «Die Demokratie meines Heimatlandes ist so hart errungen, da kann ich doch nicht einfach damit aufhören, für sie zu kämpfen. Niemals!»