Im Affekt: Lob der kauzigen Kreativität

Nr. 26 –

Es klingt wie eine Bier- oder im Fall von Neil Young wohl eher eine Grasidee. Das Gewitter zum Auftakt lässt noch an ein generisches Album-Intro denken, aber dann beginnen Frösche zu quaken. Später zirpt, bellt und wiehert es. «Earth» ist ein Livealbum mit Ökosongs aus Youngs gesamter Diskografie, und davon gibt es erstaunlich viele. Überspielt ist das Ganze mit Tier- und anderen Naturgeräuschen, nur leider funktioniert das weder als musikalisches Konzept – wie könnte es auch! – noch als Witz. Die Hippieromantik ist bei Young ja völlig ernst gemeint, wie Alben über Monsanto oder einen ökologisch frisierten Oldtimer gezeigt haben.

Besser als ihre Umsetzung ist Youngs rührend kindliche Ideenbegründung. Nach einem Konzert habe er dem Jubel des Publikums zugehört und sich gedacht, dass es gar nicht auffallen würde, wenn man in diesen Lärm ein paar Kojotenschreie mischen würde. Mit dieser kauzigen Kreativität traf Young in den letzten Jahren immer wieder mal ins Schwarze. Darum ist sie von der Haltung her unbedingt zu würdigen.

Am besten ist Young immer dann, wenn er sein ästhetisches Grundprinzip spielen lässt: ein roher, stets an der Dissonanz kratzender Klang, der seine zarte Stimme kontrastiert. «Le Noise» (2010) ist eigentlich nichts anderes als dieses Prinzip: Stimme und E-Gitarre, ohne störende Begleitung. Das Anti-Bush-Album «Living with War» (2006) wurde in einer Woche geschrieben und aufgenommen. Da bleibt keine Zeit für Komplexität, und die Bläser spielen verlässlich neben dem Ton – herrlich. Für «A Letter Home» (2014) hat sich Young in eine Art Instant-Aufnahmekabine gesetzt. Die schäbige Tonqualität verzerrt die Folkklassiker fast zur Unkenntlichkeit. Nachdem Young kurz zuvor das digitale Zeitalter mit seinem Ponoplayer aus der MP3-Kompression retten wollte, kann man dieses Werk durchaus ironisch verstehen.

Es braucht etwas Glück, damit diese Dinge gelingen, aber Neil Young findet es immer noch hin und wieder, das Glück. Und von welchen Woodstock-VeteranInnen lässt sich das sonst noch sagen?

Ist das jetzt eine Form von Ausbrennen (statt Verblassen), wie das Young im Song «Hey Hey, My My» gefordert hat?