Im Affekt: Gott in einem Sandwich

Nr. 43 –

Ja, klar will ich es – dunkler, immer dunkler! Wenn er schon so fragt, oder eher: beschwört. «You Want It Darker» – wenn Leonard Cohen diese Zeilen haucht, dann hört man, dass er es auch will. Doch er ist schon mittendrin in der Dunkelheit. Der minimalistische Bass, das dumpfe Schlagzeug, die finstere Orgel und dann noch dieser Chor, der im Hintergrund bedrohlich an- und abschwillt. Der Effekt ist erstaunlich: Vor diesem schummrigen Hintergrund beginnt Cohens rauchgeschmirgelte Stimme zu glänzen. Man meint gar, das Stottern der langsamer werdenden Frequenzen zu hören, wenn er seine Stimme in immer tiefere Lagen schickt. Er geniesst es da unten.

Aber wart mal, mit diesem «You» bin sowieso nicht ich gemeint. Cohen spricht mit Gott persönlich, dem Dealer des Kartenspiels, aus dem der 82-Jährige bald auszuscheiden gedenkt: «Hineni, I’m ready, my Lord», hier bin ich (auf Hebräisch), ich bin bereit, mein Herr. Es ist ein abgrundtief düsteres Spiel, das Cohen in diesem Song beschreibt, und die Erlösung besteht höchstens darin, dass er bald nicht mehr mitspielt.

Es gibt ja diese Geschichten von Menschen, die auf dem Sterbebett ihren Draht ins Jenseits stärken, Geschichten, von denen man hofft, dass man sie selber nie erleben muss. Dass man nicht plötzlich heimgesucht wird von diesem Glauben, von dem man nie gewusst hat, was er überhaupt sein soll. Aber einer wie Cohen, der schon jede Form von Spiritualität ausprobiert hat, die auf dem Markt der Religionen angeboten wird, und am Ende in die Dunkelheit statt ins Licht fährt, der müsste ja Rat wissen.

Er wisse, dass jedes menschliche Leben einen spirituellen Anteil habe, sagte Cohen in einem grossartigen Porträt in der Zeitschrift «New Yorker». Das sei bloss eine Realität, von der man beeinflusst werde, die man aber nicht durchdringen könne. Daraus spreche die Stimme Gottes. Manchmal sage sie auch, man solle ein Sandwich essen. Und jetzt gerade sagt sie offenbar, ich soll diesen Song hören. Wenn Gott nur das ist, dann kann ich mit ihm leben.

Wenn Bob Dylan das Telefon partout nicht abnehmen will, könnte die Schwedische Akademie ja mal Herrn Cohen fragen, ob er den Nobelpreis annehmen möchte.