Krise in Venezuela: Ein Land im Strudel nach unten

Nr. 44 –

Immerhin gibt es einen ganz schmalen Silberstreifen am Horizont. In der Nacht auf Montag traf sich Venezuelas linker Präsident Nicolás Maduro mit fast allen wichtigen Vertretern der rechten Opposition zum Versuch eines Dialogs. Man wolle «vom aggressiven Ton in der politischen Debatte» Abstand nehmen, heisst es in einer gemeinsamen Erklärung. Regierungssprecher Jorge Rodríguez ergänzte, man strebe einen «offenen, ehrlichen und konstruktiven Dialog» an. Das nächste Treffen ist für den 11. November geplant.

Die Gesprächsrunde ist ein Erfolg für den Präsidenten. Nach vielen gescheiterten Dialogversuchen hat er den Vatikan als Vermittler ins Boot geholt und damit der Opposition ein Angebot gemacht, das diese ohne Gesichtsverlust nicht ablehnen konnte. Die Proteste gegen Maduro jedoch gehen weiter. Am Erscheinungstag dieser WOZ will die Opposition Hunderttausende zum Präsidentenpalast in Caracas marschieren lassen. Schon am Mittwoch vergangener Woche hatte es Massendemonstrationen im ganzen Land gegeben. Angesichts einer Inflationsrate von mindestens 500 Prozent, knappen Lebensmitteln und kaum mehr auffindbaren Medikamenten ist es leicht, Menschen gegen die Regierung auf die Strasse zu bringen. Das aber bedeutet noch lange nicht Zustimmung zur Opposition. Als diese zwei Tage später zu einem Generalstreik aufrief, war der Widerhall dürftig.

So wenig die grosse Mehrheit der Bevölkerung dem ratlosen Maduro vertraut, so wenig will sie der Aufforderung der Opposition folgen, das Land noch tiefer in den Abgrund zu stürzen. Leben ist zum Kampf ums Überleben verkommen, und wer diesen nicht mit Schwarzmarktgeschäften und alltäglicher Korruption ausficht, hat ihn so gut wie verloren. Das Land ist auch ohne Generalstreik im Strudel nach unten. Regierung und Opposition aber streiten nur darum, ob eine Volksabstimmung über Maduros Verbleib im Amt noch in diesem oder erst nächstes Jahr stattfinden soll. Ersteres hätte sofortige Neuwahlen zur Folge, was Maduro mit allen mehr und auch weniger rechtsstaatlichen Mitteln zu verhindern versucht.

Der jetzt begonnene Dialog erlaubt zumindest einen kleinen Rest Hoffnung, dass dieser politische Streit langsam entspannter wird, sich vielleicht sogar eine Möglichkeit eröffnet, dass Regierung und Opposition über die wirklichen Probleme Venezuelas nachdenken: über einen Weg aus der schwersten wirtschaftlichen und sozialen Krise seit Menschengedenken.