Was weiter geschah: Verletzte Menschenrechte? Das ist der EU egal

Nr. 46 –

Die deutsche Organisation Sea-Watch hat nach eigenen Angaben gegen mehrere Mitglieder der libyschen Küstenwache Anzeige erstattet. Am 21. Oktober hatten bewaffnete Küstenwächter während eines Einsatzes des Rettungsschiffs Sea-Watch 2 in internationalen Gewässern ein voll besetztes Flüchtlingsboot attackiert, MigrantInnen mit Schlagstöcken geschlagen und so den Rettungseinsatz behindert. Das brutale Vorgehen löste eine Massenpanik aus, in deren Folge mehrere Flüchtlinge ertranken. Ein Sprecher der libyschen Küstenwache hatte das Aufeinandertreffen mit der «Sea-Watch 2» bestätigt. Er gab jedoch an, die beiden Schiffe hätten sich in libyschen Gewässern befunden, und er dementierte alle Vorwürfe.

Die Angreifer zur Verantwortung zu ziehen, dürfte für Sea-Watch schwierig werden. Die Schiffe der Küstenwache operieren ohne klare Kommandostruktur und sind auch in Landesteilen stationiert, in denen die von der EU anerkannte Regierung des Landes beschränkten Einfluss hat. Dennoch arbeitet die EU seit Ende Oktober offiziell mit der Küstenwache zusammen. Im Rahmen der Militäroperation «Eunavfor Med» werden Ausbildungsprogramme organisiert. Laut Sea-Watch lässt sich nicht ausschliessen, dass auch die Angreifer selbst Teil des von der EU trainierten Teams gewesen sind.

In diesem Jahr sind knapp 165 000 Flüchtlinge über die sogenannte zentrale Mittelmeerroute nach Europa gekommen. Beinahe 4000 Menschen kamen auf der gefährlichen Überfahrt ums Leben. Um Flüchtlinge von Europa fernzuhalten, sieht die EU über Menschenrechtsverletzungen in Libyen hinweg. Denn wer dort im Gefängnis landet, dem drohen Folter, Misshandlungen und sexuelle Übergriffe.

Nachtrag zum Artikel «Wie ein grosses, perverses Spiel» in WOZ Nr. 43/2016 .