Was weiter geschah: «Warum verlangen Sie unseren Ausweis?»

Nr. 47 –

Juristisch gegen Racial Profiling und Polizeigewalt vorzugehen, ist praktisch aussichtslos. Am Montag standen nun zwei Polizisten und eine Polizistin von der Stadtpolizei Zürich wegen Amtsmissbrauch und Körperverletzung vor dem Bezirksgericht.

Ihr Opfer, Wilson A., geriet 2009 mit einem Bekannten in eine Polizeikontrolle. Jetzt wurde er als Zeuge befragt. «Warum verlangen Sie unseren Ausweis?», habe er die Polizei damals gefragt. «Weil wir dunkelhäutig sind?» Er wollte sich nicht sofort ausweisen. Die Situation eskalierte. A. habe die Polizei ausdrücklich gebeten, ihn nicht anzufassen, da er herzkrank sei und gerade eine Operation hinter sich habe. Aber die PolizistInnen hätten ihm Pfefferspray ins Gesicht gesprüht, ihn mit Fäusten und Schlagstöcken traktiert – und sie verhafteten ihn. «Der eine Polizist hat mich minutenlang am Hals gepackt», sagt A. aus. «Lass mich atmen», habe er mehrmals gesagt. Prellungen im Gesicht und am Hals, einen gebrochenen Lendenwirbel, Zerrungen und eine ernsthafte Knieverletzung trägt A. davon. In Polizeijargon und einander ergänzend geben die Angeklagten zu, Pfefferspray, «rohe Körperkraft» und Schlagstöcke eingesetzt zu haben. Aber niemand will A. gewürgt haben.

«Dieser Fall ist exemplarisch für die systematische Gewalt der Behörden», sagt A.s Anwalt Bruno Steiner. «Letztlich werden Polizisten praktisch nie wegen Gewalt an dunkelhäutigen Personen verurteilt. Kommt dies etwa nicht vor? Oder wird dies unter den Teppich gekehrt?» Er kritisiert die zuständige Staatsanwältin scharf: Sie wollte das Verfahren bereits zweimal einstellen, die Anklage wegen «Gefährdung des Lebens» hat sie in «einfache Körperverletzung» umgewandelt – trotz A.s Herzkrankheit. Die Verhandlung am Montag wurde abgebrochen, eventuell soll nun doch auch wegen «Gefährdung des Lebens» Anklage erhoben werden.

«Wilson A. ist kein Einzelfall», sagt Tarek Naguib, «es geht dabei um institutionellen Rassismus.» Naguib ist Teil der «Allianz gegen Racial Profiling» – das Bündnis will Betroffene stärken und fordert schweizweit unabhängige Anlaufstellen mit Beschwerderecht. Denn Racial Profiling ist nicht nur in Zürich ein Problem: Wegen mehrerer Fälle von rassistischer Polizeigewalt haben am Samstag in Lausanne rund 600 Menschen demonstriert.

Nachtrag zum Artikel «Einfach die falsche Hautfarbe» in WOZ Nr. 45/2016 .