Von oben herab: Rechts der Schweiz

Nr. 48 –

Stefan Gärtner widmet sich für einmal Österreich

Nun hat die Ostmark (ehemals «Republik Österreich») ja bald ihren Nazipräsidenten, und so SVP kann die Schweiz gar nicht sein, dass sie mir da nicht trotzdem das freundlichere, schönere Land dünkt, von ihrem entschieden besseren Design sogar abgesehen: Ihre vier Amtssprachen sind ein nicht aus der Welt zu schaffendes Multikulturfaktum, und dass ihre Rechten Libertäre sind, lässt den totalen Staat zum totalen Kanton, zum totalen Vorgarten schrumpfen. Der Führer, na, sagen wir: Anführer der Schweizer Rechten heisst, wir hatten das schon, Rösti, er sieht auch so aus, und vielleicht ist das der Biedermann als Brandstifter; Heinz-Christian Strache dagegen, der prototypisch durchgedrehte, bösartige Kleinbürger, ist nicht mal mehr Biedermann, sondern der Mob in Person, und während Rösti und Konsorten zwar wissen, wo die Streichhölzer liegen (im Küchenschrank, oben, damit die Kinder nicht rankommen), haben Strache und Hofer sie grinsend in der Hand.

Was in der Schweiz und überall, wo «Rechtspopulisten» an der Regierung sind oder in die Regierung drängen, Faschismus oder faschistoid ist, die Affektumleitung nämlich aufs Fremde und Schwache, Auszusondernde und zu Deportierende, zu Schikanierende und Totzuschlagende, ist in Österreich – bekanntlich ein Nachfolgestaat des «Dritten Reichs» – Nationalsozialismus, und will Albert Rösti nicht, dass ihm Kopftuchasylantinnen in den Garten kacken, und wird er dazu ggf. Amtsgewalt für erforderlich halten, will und braucht Strache, man sieht das, Gewalt als solche, so wie normale Menschen einen Orgasmus wollen und brauchen. Hier ist der Hass, der Zynismus längst Physiognomie geworden und das sichtlich Pathologische direkter Ausdruck der politischen Botschaft: Macht kaputt, von dem ich euch vorlüge, dass es euch kaputt macht, und vor allem aber, macht die kaputt. Trump hat gesagt, er könne auf offener Strasse jemanden niederschiessen, und es würde ihn keine Stimme kosten, und was hier noch Rhetorik ist und Metapher für das, was gerade als «postfaktisch» die Runde macht, flackert unter und hinter Straches Stirn als Aufruf zur Tat, die Not von Volk und Heimat zu beheben.

Die Schweiz hat ihre Nazivergangenheit wenigstens ohne Massenmord hinter sich gebracht; der Nachbar, der weiss, dass er sich darauf nicht berufen kann (obwohl ers jahrzehntelang versucht hat), will gar nicht mehr so tun, als sei nichts gewesen, denn früher war noch eine Ordnung. Über Hofer schrieb die «Süddeutsche Zeitung» im Mai, er zähle «mindestens zwei Personen zu seinen Vertrauten, die sich früher in der Neonazi-Szene bewegt haben. Da ist René Schimanek, der Hofers Büro im Parlament leitet. Wie der ‹Falter› recherchierte, nahm Schimanek Ende der achtziger Jahre an ‹Geländespielen› teil und marschierte in Kampfklamotten und Schlagstock auf. Mit dabei: Gottfried Küssel, der ein berüchtigter Neonazi und Holocaustleugner ist. Auch der Mann, dem Hofer seine politische Karriere verdankt, hat eine einschlägige Vergangenheit. Dieser Förderer war bis in die neunziger Jahre fester Teil der Neonazi-Szene. Er nahm unter anderem an Wehrsportübungen teil und soll einmal an der versuchten Erstürmung einer Synagoge in Deutschland beteiligt gewesen sein. Sein Name ist Heinz-Christian Strache, der Bundesobmann der FPÖ.»

Meine Rede; und falls Österreich erwacht, ist mir die Schläfrigkeit der Schweiz grad doppelt lieb.

Stefan Gärtner (BRD) war Redaktor bei der «Titanic» und ist heute Schriftsteller und «linksradikaler Satiriker» («Die Zeit»). An dieser Stelle nimmt er sonst das Geschehen in der Schweiz unter die Lupe.