Wahlen in Bern: Ein Velohelm macht noch keinen Stapi

Nr. 48 –

Man hätte es ja voraussehen können, eigentlich. Dass die erste Runde im Wahlkampf um das Berner Stadtpräsidium an Alec von Graffenried von der Grünen Freien Liste und nicht an die SP-Politikerin Ursula Wyss gehen würde, die lange als Favoritin gehandelt wurde. Wenn man den Argumenten aus dem weiteren Freundeskreis ein bisschen mehr Beachtung geschenkt hätte, hätte man es gewusst. Denn kurz vor der Abstimmung vergangenen Sonntag fielen plötzlich seltsame Sätze: «Sie ist einfach nicht sympathisch», erklärte eine Kollegin als Begründung, warum sie von Graffenried wählte und nicht Wyss. Eine andere sagte: «Sie grüsste nie, wenn ich sie auf dem Spielplatz im Quartier traf.» Eine Dritte meinte, sie sei einfach nicht sich selber, und eine Vierte ergänzte, dass sie nicht einmal einen Velohelm trage.

Abgesehen davon, dass die letzte Aussage nachweislich falsch ist, ist sie, wie die anderen vorgebrachten Argumente gegen Wyss, völlig nichtig. Denn ein Velohelm macht ja bekanntlich noch keinen guten Stapi. Man mag Wyss als Person mögen oder nicht: Fakt ist, dass sie in ihrer Amtszeit als Gemeinderätin einiges angepackt und erfolgreich umgesetzt hat. «Unfassbar gut», betitelte denn auch «Der Bund» Anfang November ein Porträt über die Exekutivpolitikerin und listete ihre Taten auf: «Sie baut den Entsorgungshof im Schermen, stallt die Tramgegner, führt die Grünabfuhr für Rüstabfälle ein, plant die Sanierungen von Breitenrain- und Eigerplatz und startet die Velo-Offensive.» Und die «Berner Zeitung» schrieb: «Kaum jemand zweifelt daran, dass Ursula Wyss die fachlichen Qualitäten hat, um Berns erste Stadtpräsidentin zu werden.»

Doch bei der Wahl um das Stadtpräsidium scheinen nicht «fachliche Qualitäten» ausschlaggebend zu sein. Denn keine der Bekannten konnte ein inhaltliches Argument für den in der Exekutivpolitik völlig unerfahrenen von Graffenried vorbringen, das über seine Person («er ist halt sympathisch») hinausgeht. Dies konnte nicht einmal seine Partei: Sie hätten die Person des Kandidaten in den Vordergrund der Kampagne gerückt, erklärte sein Wahlkampfteam nach dem Etappensieg, das sei wichtiger gewesen, als konkrete Inhalte zu lancieren. Vielleicht fehlen die auch einfach? Die Strategie ist auf jeden Fall aufgegangen. Weil Mann sein alleine anscheinend noch immer genügt, um zu gewinnen.