Neonazikonzert: Regierungsrat erklärt Hitlergruss

Nr. 51 –

Die Staatsanwaltschaft St. Gallen eröffnet keine Untersuchung gegen «ein Konzert für rechtsgerichtete Sympathisanten» in Unterwasser. Der Entscheid wie die verklausulierte Wortwahl – das Konzert mit 5000 Neonazis war das bisher grösste in Europa – reihen sich ein in die Kette behördlicher Verharmlosungen seit Mitte Oktober: Publik wurde der Anlass erst dank der Berner Antifa. Der Polizei fiel darauf nichts Besseres ein, als die reibungslose Organisation zu loben. Überrumpelt vom Grossaufmarsch, verzichtete man auf eine Spurensicherung. Ein später aufgetauchtes Video zeigte die Glatzköpfe «Sieg Heil!» brüllend beim sogenannten Abhitlern.

Es fänden sich keine Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten der unbekannten Täterschaft, schreibt die Staatsanwaltschaft. Dabei sind die Organisatoren längst bekannt. Wie Recherchen der WOZ sowie der «Sonntags-Zeitung» zeigten, führt die Spur nach Thüringen. Die Einnahmen aus dem Konzert kommen Rechtsextremen zugute, die wegen Gewalttaten vor Gericht stehen (siehe WOZ Nr. 42/2016 ).

Den Gipfel der Verharmlosung bildete ein Auftritt des St. Galler Justizministers Fredy Fässler (SP) im «Auslandsjournal» des ZDF von letzter Woche. Fässler erklärte, wann das Tragen eines Hakenkreuzes in der Schweiz erlaubt ist. Werde der Hitlergruss zur Propaganda verwendet, sei er strafbar, als Ausdruck einer persönlichen Haltung jedoch nicht. Das sei eine «etwas diskutable Entscheidung», aber die Rechtsgrundlage.

Mit der Begründung, dass Neonazikonzerte der Rekrutierung von Nachwuchs dienen, liesse sich diese Rechtsgrundlage auch anders interpretieren – es fehlte offenkundig am Willen. Alarmierter als ihr Regierungsrat ist die St. Galler SP. Nationalrätin Barbara Gysi will sich für eine Verschärfung der Antirassismus-Strafnorm einsetzen. Die Schweiz soll Neonazis nicht weiter als «Konzertparadies» dienen.

Die Forderung nach schärferen Gesetzen bleibt eine freiheitliche Gratwanderung. Rassismus muss strafrechtlich verfolgt werden können, doch Gesetze lösen ihn nicht in Luft auf. Entscheidend bleibt die klare Haltung von PolitikerInnen wie von BürgerInnen, dass Rassismus nicht toleriert wird. Mit ihren Verharmlosungen haben die St. Galler Behörden eine solche Haltung bitter vermissen lassen.