Einbürgerungsaufruf: Sehr geehrte Frau Mauch

Nr. 23 –

Es hat mich etwas gekränkt, nicht persönlich von Ihnen angeschrieben und eingeladen worden zu sein, mich in der «schönen Stadt Zürich» einbürgern zu lassen. Während ArbeitskollegInnen und Verwandte von mir ohne Schweizer Pass die «wichtige Information zum Schweizer Bürgerrecht» erhielten, habe ich bisher umsonst auf Ihren Brief gewartet. Kann es sein, dass ich die Voraussetzungen für das begehrte rote Dokument nicht erfülle?

An meinen Grundkenntnissen der hiesigen politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse und meinem Deutsch kann es kaum liegen, zumal ich auch schon seit längerem als Korrektorin bei der Wochenzeitung WOZ arbeite. Ich erkenne das Matterhorn und Bernhard Russi und weiss, dass der Schweizerpsalm kein Bibeltext und die «fünfte Schweiz» nicht Liechtenstein ist. Ich halte die Waschküchenordnung ein und bündle Altpapier. Integriert sollte ich somit sein. Auf Sozialhilfe bin ich zum Glück nicht angewiesen, ich habe weder Schulden noch Einträge im Strafregister und bezahle meine Steuern pünktlich. Warum bin ich dann leer ausgegangen?

Eine Antwort hat eine Ihrer MitarbeiterInnen im Stadthaus: Ich sei noch nicht lange genug hier. Wenn ich rechne, komme ich jedoch auf dreizehn Jahre, also ein Jahr mehr als die erforderlichen zwölf. Das Computerprogramm hat aber die Kurzaufenthalte davor nicht berücksichtigt, «offiziell» bin ich erst später eingereist.

Diesen Fauxpas des Systems kann ich Ihnen nun doch verzeihen. Und mehr noch: Ich bin Ihnen sogar dankbar. Sie haben es, auch indirekt, geschafft, bei mir etwas ins Rollen zu bringen. Die Idee, Schweizer Bürgerin zu werden und meine Zukunft tatsächlich hier zu sehen, nimmt Konturen an. Und geradezu aufgeregt werde ich bei der Vorstellung, von meinem BürgerInnenrecht Gebrauch zu machen und mich direktdemokratisch zu beteiligen. Bis dahin wird es wohl noch eine Weile dauern. Und vielleicht habe ich dann das Matterhorn auch schon bestiegen. Oder zumindest das Schnebelhorn, den höchsten Gipfel des schönen Kantons Zürich.

Freundliche Grüsse, Ulrike Frank