Auf allen Kanälen: «Hebdo»-Köpfe leben
Die Westschweiz hat ein neues Magazin: «Bon pour la tête» ging letzte Woche online. Der Schwerpunkt des Magazins liegt auf der Kultur.
Gut für den Kopf – «Bon pour la tête» («BPLT»), so lautet der Titel des neuen Magazins, das JournalistInnen in der Westschweiz gegründet haben. Die Website ging letzte Woche online. «BPLT» hat den Anspruch, «sorgfältig recherchierte Texte zu publizieren, die in die Tiefe gehen und einen Kontrast zur kostenlosen Informationsflut darstellen». Das neue Medium soll in einem ersten Schritt ein Onlinemagazin sein; in einem zweiten Schritt soll es auch ein gedrucktes Heft geben. Die Crew besteht aus vielen ehemaligen JournalistInnen von «L’Hebdo», dem welschen Wochenmagazin, das Anfang des Jahres eingestellt wurde.
«Bon pour la tête» ist vollkommen werbefrei, getragen von einem unabhängigen Verein und finanziert von LeserInnen, die für acht Franken pro Monat ein Abo lösen können. Wie das Projekt «Republik» in der Deutschschweiz hatte «BPLT» ein Crowdfunding lanciert. Mitte Mai kamen in wenigen Tagen 230 000 Franken zusammen. Somit reiht sich «BPLT» ein in die Medienprojekte, die sich mit dem Versprechen von seriösem Journalismus und Unabhängigkeit an eine zahlungsbereite Öffentlichkeit wenden – und die LeserInnenschaft zur Förderin des angestrebten Qualitätsjournalismus machen.
Ehrenamtliche Arbeit
Die neue Nachrichtenseite deckt einen breiten Themenmix ab. «BPLT» bietet keine klassische Einordnung nach Ressorts, sondern verfügt über Rubriken wie «Aktualität», «Chroniken» oder «Anderswo» («Ailleurs»). Einzig der Kultur kommt ein eigenes Ressort zu, und das hat Gründe: Laut «BPLT» soll der Kultur besondere Beachtung geschenkt werden, weil ihr in den traditionellen Medien immer weniger Platz eingeräumt werde.
Im Kulturressort findet sich unter anderem ein imaginäres Interview mit Honoré de Balzac, eine Rezension des Schweizer Films «Die göttliche Ordnung», der Anfang Juni in der Romandie in die Kinos gekommen ist, sowie ein spannender Essay über die Turbulenzen rund um das Lausanner Theater Vidy.
Das Magazin publiziert zwei bis drei neue Beiträge pro Tag – allerdings arbeiten viele Redaktionsmitglieder vorerst noch ehrenamtlich. «BPLT» ist gemäss eigenen Angaben aus dem Widerstand entstanden. Widerstand gegen die Verarmung der Medienvielfalt in der Westschweiz und gegen die Sparpolitik der grossen Verlage, die beim Journalismus ansetzt. So hatte der Medienkonzern Ringier Axel Springer Schweiz im letzten Februar die Schliessung des renommierten welschen Wochenmagazins «L’Hebdo» verkündet. Die Einstellung sei aufgrund rückläufiger Anzeigen- und Verkaufserlöse erfolgt, teilte das Verlagshaus damals mit. Auch bei der Tageszeitung «Le Temps», die dem gleichen Medienkonzern gehört, gab es mehrere Sparrunden. 37 MitarbeiterInnen, hauptsächlich aus den Redaktionen der beiden Publikationen, verloren ihre Arbeit. Das Ende von «L’Hebdo», das seit 1981 erschienen und immer wieder mit fundierten Recherchen aufgefallen war, löste in der Romandie einen Sturm der Entrüstung aus. Die Tageszeitung «Le Courrier» bezeichnete die Schliessung als «vorsätzliche Tötung», Hunderte von Medienschaffenden gingen auf die Strasse.
«Doch der Protest mit Transparenten auf der grossen Brücke in Lausanne reichte nicht aus, es brauchte ein konkretes Projekt», sagt Noémie Desarzens, eine «BPLT»-Journalistin, gegenüber dem Sender RTS. «Das Bedürfnis nach kritischem und unabhängigem Journalismus ist vorhanden, deshalb glauben wir an den Erfolg von ‹BPLT›», sagt auf Anfrage Jacques Pilet, Gründer von «L’Hebdo» und Mitgründer von «BPLT».
Untergangsprognose als Kompliment
Skeptisch zeigt sich der Journalist Peter Rothenbühler: «Vorläufig schwimmen die Alt-Hebdoler noch im gleichen Wasser wie das von ihnen sehr betrauerte ehemalige Magazin in den letzten Jahren: Man bringt ein bisschen dies und ein bisschen das und geht langsam, aber sicher in Selbstgefälligkeit unter», schreibt er in der «Medienwoche». Und weiter: «Man ist nur ein bisschen witzig, nur ein bisschen klug, nur ein bisschen unbrav. Aber leider auch ein bisschen unnötig.»
Nun, wer Neues wagt, setzt sich bisweilen argwöhnischer Kritik aus. Dabei kann die Untergangsprognose ruhig als Kompliment betrachtet werden, schliesslich kann nur untergehen, was zuvor aufgegangen ist.