Im Affekt: Schöner Wohnen im Unheimlichen

Nr. 39 –

Ein Höllensturz durch Motive des Alten und des Neuen Testaments; eine komödiantische Abrechnung mit der männlichen Verklärung von Müttern und Musen; eine Zitateorgie aus ungefähr jedem Horrorfilm, der je gedreht wurde; eine bitterböse Auseinandersetzung mit den Auswüchsen des Celebritywahns; und nicht zuletzt eine visuelle Grenzerfahrung, wie man sie im Kino schon lange nicht mehr durchlebt hat. Wer nicht glauben mag, dass das alles in einen einzigen Film passt, der darf sich Darren Aronofskys neuen Psycho- und Bibelstreifen «Mother!» anschauen – auf eigene Gefahr.

«Mother!» wurde kürzlich am Filmfestival von Venedig uraufgeführt und von der Kritik kontrovers aufgenommen. Dabei schleicht sich dieser radschlagende Schocker mit Wackelkamera und Staraufgebot (Jennifer Lawrence! Javier Bardem! Michelle Pfeiffer aus der Versenkung!) anfangs recht unauffällig an uns heran: Wir kleben regelrecht am Gesicht von Jennifer Lawrence, die in dieser Geschichte der Namenlosen mit ihrem Mann, dem Dichter (Bardem), ein einsames Haus auf einer Waldlichtung bewohnt. Wie sich das für ein richtiges Horrorstück gehört, macht das von der Frau obsessiv renovierte Heim bald auf unheimlich. Dazu kommt eine Invasion penetranter Gäste, die sich unverschämt breitmachen, und die Ehe mit dem schreibblockierten Poeten ist auch alles andere als eine Oase der Ruhe und Freude. «Das ist mein Haus!», schreit die Frau irgendwann entnervt in die Runde. Und: «Ich mache mich nun hinter die Apokalypse.» Man durfte da schon tapfer ahnen, dass dieser Film das ziemlich wörtlich meint.

Begeisterung kann eine einsame Sache sein. Das Kino war an diesem Montagabend fast leer. Und je länger der hemmungslos aus dem Ruder laufende Film dauerte, desto öfter dachte man: Nach Selbstkenntnis und menschlichem Ermessen müsste ich diesen schrillen Irrsinn da vorne läppisch, nervtötend und unerträglich überspannt finden – aber er ist schlicht grossartig. Es war ein erhabenes Gefühl.

«‹Schlimmster Film des Jahres› wäre noch zu nett», beschied der «New York Observer».