Im Affekt: Herrklärt uns nicht die Welt!

Nr. 46 –

«Männer erklären mir die Welt, mir und anderen Frauen, ob sie nun wissen, wovon sie reden, oder nicht», schrieb die US-Autorin Rebecca Solnit in ihrem Essay «Wenn Männer mir die Welt erklären» (2008). Sie prägte dafür den Begriff «mansplaining», auf Deutsch etwa: «herrklären». Wer Schweizer Zeitungen liest, sieht Solnits Worte praktisch jeden Morgen bestätigt: Männer erklären uns die Welt.

Ein paar Beispiele gefällig? Schauen wir in den «Bund» vom letzten Montag: Herr Schifferle analysiert das Fussballspiel der Schweizer Nationalmannschaft, Herr Schoepp schreibt über Herrn Rajoy, Herr Zweifel über sedierende Pillen, Herr Nonnemacher über Herrn Johnson, Herr Perras über Herrn Trump, Herr Hassel über Polen, Herr Hesse über Herrn Juncker, Herr Häne über den Klimaschutz und so weiter und so fort. Keine einzige Frau schreibt im ersten Bund dieser Zeitung. Und da die Inhalte von «Bund» und «Tages-Anzeiger» weitgehend identisch sind, lesen die LeserInnen in Zürich genau dieselben Herren wie jene in Bern, und ein Blick in die NZZ fällt nicht viel besser aus.

In ihrem Buch zeigt Solnit, wie diese Abwesenheit von öffentlichen weiblichen Stimmen fatalerweise dazu führt, dass Aussagen von Frauen weniger Glaubwürdigkeit zugeschrieben wird als solchen von Männern – zum Beispiel im Bezug auf Missbrauchs- oder Gewaltdelikte in Beziehungen oder am Arbeitsort.

In medialen Bildern, sagte jüngst die Medienprofessorin Margreth Lünenborg, gebe es oft einen «‹Delay› gegenüber Modernisierungsprozessen, die in der Gesellschaft stattfinden». Das kann einen schon fast optimistisch stimmen: Sobald also auch die Herren Journalisten und Verleger merken, dass in der Schweiz nicht nur das Frauenstimmrecht schon vor längerer Zeit eingeführt worden ist, sondern dass Frauen auch einen elementaren Beitrag zum gesellschaftlichen und politischen Leben leisten, ja dass sie sogar lesen, denken und schreiben können, werden uns vielleicht endlich auch Frauen in diesen Blättern die Welt erklären.

Den Anstoss zu ihrem Essay gab Rebecca Solnit übrigens die Begegnung mit einem Mann, der ihr an einer Party ein Buch erklären wollte, das sie selbst geschrieben hatte.