Metapop: Im Kaleidoskop der Töne
So löst man Krämpfe: Der Bieler Manuel Engel macht mit seiner Band Meta Marie Louise fiebrige Musik, die sich nirgends einordnen lässt. Aber was hat das mit seiner Oma zu tun?
Meta Marie Louise heisst Manuel Engels Grossmutter. Meta Marie Louise heisst Manuel Engels Band. Manuel Engels Grossmutter ist Manuel Engels Band, und Manuel Engel macht Töne wie «Meta-Marie-Louise-Louise-Marie» – kurz: Manuel Engels Musik ist ziemlich delirant.
Die musikalische Basis des Bieler Pianisten hingegen ist seriös: Engel studierte Klavier an der Swiss Jazz School in Bern, heute unterrichtet er Piano an der Musikschule in Biel. In seiner Kindheit spielte ihm der Vater beim Autofahren jeweils Jazz vom «Kassettenbändli» vor. «Ich kann diese Songs alle noch mitsingen», sagt Engel. Ab und an musste der Junge mit der Familie auch ins Konzert zum Grossonkel. Dieser war in Biel Stadtorganist und auf Bach eingeschossen.
Kulturschock in New York
Nach dem Studium in der Schweiz zog es Manuel Engel zu einem anderen Onkel in New York. Der junge Musiker studierte an der New School University und blieb schliesslich in der New Yorker Musikerszene hängen, Kulturschock inklusive. Letzterer war einerseits dem «etwas anderen Bindungsverhalten» der Menschen in den USA geschuldet, dieser «steten Offenheit gegenüber allem», wie es Engel nennt. «Andererseits hat mich an der Schule die Anzahl Musiker und deren Qualität schlicht umgehauen.»
Ab 2003 zog Engel vier Jahre lang mit dem US-Dichter Ainsley Burrows durch die New Yorker Clubs. Burrows machte von sich reden mit seinen «Erotic Poetry Nights», es lief ziemlich gut. Doch dann wurde Engel Vater, und es kam das Bedürfnis nach etwas mehr Stabilität. Mit seiner Partnerin, der US-Dichterin Fork Burke, entschied er sich, in die Schweiz überzusiedeln, zurück nach Biel, dahin, wo er aufgewachsen war. Hier lieh ihm die Grossmutter Meta Marie Louise ihren Namen für seine Musik: «Eine Hommage an die Frau im Himmel», sagt Engel dazu. Er kennt die Grossmutter nur aus Geschichten, sie war schon vor seiner Geburt verstorben. Wenn jemand an ihre Tür klopfte und um Geld bat, gab sie nichts – aber, so wird von ihr erzählt, sie bat den Menschen zu sich ins Haus und kochte ihm etwas.
Zwischen den Tönen
«Meta» bedeutet nicht nur «halb/zwischen, nach, hinter». Es ist auch ein eher seltener Frauenvorname, eine Kurzform von Margaretha. Im baltischen Sprachraum steht das Wort für Minze, das Heilkraut mit krampflösender und tonisierender Wirkung. Für Manuel Engel wurde «Meta» zu seinem musikalischen Leitfaden. Die Musik seiner Band ist irgendwo mittendrin, zwischen den Tönen, zwischen den Genres – nicht einzuordnen, aber höchst präsent im Augenblick. Und sie hat durchaus krampflösende Wirkung. Wer die Band live hört, muss bald unwillkürlich mitwippen und kann sich von den überraschenden Tonfolgen tonisieren lassen.
«Instant Composing» nennt sich das, was Engel und seine Band tun. Es ist kein planloses Spiel, wie man meinen könnte. In den Anfängen dauerten die Stücke von Meta Marie Louise lediglich zwanzig Minuten, dann war fertig. Mittlerweile kann Engel mit seinen Leuten siebzig Minuten grooven. «Auf dem gleichen Niveau weiterspielen» nennt er das.
John Cage und Lady Gaga
Der harte Kern von Meta Marie Louise sind Manuel Engel am Synthesizer und als Sänger sowie Kevin Chesham als Drummer. Neu treten sie auch zusammen mit dem Sänger Max Usata von Puts Marie auf und als Alternative mit Rea Dubach oder Big Zis. Die Idee, mit Gesang zu arbeiten, sei nun ein fester Bestandteil des Bandkonzepts, sagt Engel. Die ersten Schritte machten er und Chesham 2010 noch mit dem Saxofonisten Hans Koch, im Jahr darauf folgte eine erste Tournee mit Marc Stucki. «Wir haben mehr im Ausland gespielt als hierzulande», sagt Engel, mit Auftritten in Holland, Belgien, Deutschland und Frankreich. In der Schweiz kommt die schräge Combo aus Biel eben erst an.
Müsste man benennen, welche musikalischen Universen der klingenden Grossmutter Pate stehen, wären das: Lady Gaga und John Cage. Und manchmal drückt sich auch Eminem durch ein Türchen in den dichten und abwechslungsreichen Kosmos. Sich selbst verorten Meta Marie Louise irgendwo zwischen Jungle Punk und Psychedelic. Live geht das so: Über das rhythmische Tackern eines Schalters am Synthesizer findet Engel zu kehligem Gurgeln, und er kann, wenn Chesham den Drive übernommen, verhärtet und aufgemotzt hat, schon mal im urigen Obertongesang landen.
Für abgestumpfte Synapsen
Es gibt schon auch Aufnahmen von Meta Marie Louise, erschienen sind sie auf Engels eigenem Label Metonic Records, das er 2005 in Brooklyn gegründet hat. Aber man muss diese Band live sehen. Für abgestumpfte Synapsen ist diese Musik heilsam. Müsste man aber notieren, was Engel selbst darüber sagt, müsste man Dinge schreiben wie: «Ein Ton führt zum nächsten Ton.» So lautet das Prinzip von Instant Composing. Selber hören ist hier das einzige Rezept.
Übrigens gab es bereits in der griechischen Mythologie eine Meta. Es war die erste Frau des attischen Königs Ägeus, sie blieb ohne Nachkommen. Wir können uns glücklich schätzen, dass Engels gleichnamige Grossmutter nicht kinderlos geblieben ist.
Von Meta Marie Louise ist zuletzt das Minialbum «Overdrive» erschienen (Metonic Records, 2016). Aktuell sind leider keine Konzerte geplant.