Was weiter geschah: Freispruch nach Totgeburt

Nr. 8 –

Der Abbruch einer Schwangerschaft ist in El Salvador unter allen Umständen verboten. Gerichte im zentralamerikanischen Land legen dieses Verbot bisweilen so drastisch aus, dass sie Frauen, die eine Fehlgeburt erleiden, wegen Mord für Jahrzehnte ins Gefängnis schicken. Gegen diese absurde Praxis immerhin gibt es inzwischen selbst unter RichterInnen Widerspruch: Ende vergangener Woche hob der Oberste Gerichtshof ein entsprechendes Urteil auf. Die 36-jährige Teodora del Carmen Vásquez kam nach elf Jahren Haft frei.

Vásquez, Mutter eines damals zweijährigen Sohnes, hatte in der Kantine einer Schule als Köchin gearbeitet. Im achten Monat ihrer zweiten Schwangerschaft bekam sie bei der Arbeit Blutungen und erlitt kurz darauf eine Totgeburt. Ein Gericht verurteilte sie deshalb im Dezember 2007 zu dreissig Jahren Haft wegen Mord. Frauenrechtsorganisationen setzten sich für eine Aufhebung des Urteils ein, ein Berufungsgericht aber hat es Ende vergangenen Jahres bestätigt. Nun stellte der Oberste Gerichtshof fest, es gebe keine Beweise dafür, dass Vásquez die Schwangerschaft gezielt beendet habe. Mindestens fünfzehn weitere Frauen sitzen wegen ähnlicher Urteile in Haft.

Abtreibung ist in El Salvador selbst dann verboten, wenn der Fötus nach der Geburt keine Überlebenschance hat; genauso bei Schwangerschaften nach einer Vergewaltigung oder bei akuter Gefahr für das Leben der Mutter. Das absolute Verbot wurde erst 1997 auf Druck des damaligen Erzbischofs von San Salvador in der Verfassung verankert. Ähnlich harsche Gesetze gibt es in Lateinamerika in Nicaragua, Honduras, Haiti, der Dominikanischen Republik und Surinam. In Chile wurde im vergangenen Jahr das von Diktator Augusto Pinochet verordnete absolute Abtreibungsverbot in eine Indikationsregelung umgewandelt: Schwangerschaftsabbrüche sind nun nach Vergewaltigungen, bei Gefahr für die Mutter und bei schwerer Missbildung des Fötus erlaubt.

Frauenorganisationen in El Salvador bemühen sich um eine ähnliche Regelung. Zwei Gesetzesvorlagen liegen seit Monaten im dafür zuständigen Parlamentsausschuss – und werden vorerst dort bleiben. Keine Partei wird das Thema vor der Parlamentswahl im März und der Präsidentschaftswahl im Frühjahr 2019 behandeln wollen. Alle fürchten um das Stimmenpotenzial der evangelikalen Kirchen und reaktionärer katholischer Kreise.

Nachtrag zum Artikel «Das ist nicht nur frauenfeindlich, das ist auch Klassenjustiz» in WOZ Nr. 14/2017 .